Von Männerleid und Logarithmen
Veröffentlicht: 24. September 2012 Abgelegt unter: Abzocke, Schwindel und Verbraucherrechte, Skurriles, Besinnliches, Vermischtes | Tags: Rürup-Rente, Sterbetafel, UNISEX Hinterlasse einen KommentarEs war irgendwann im Frühjahr 2011, als mich die Zeitungschlagzeile schockierte: Europäischer Gerichtshof erklärt UNI-SEX-Tarife für verbindlich! Mein Gott, schoss es mir durch den Kopf, ist denn der Markt für käufliche Liebe an akademischen Lehranstalten so desolat, daß unsere Europa-Richter da ordnend eingreifen müssen? Ist die vielleicht die materielle Not unserer Studentinnen und Studenten so groß, daß da jetzt auch Mindestlöhne für studienbegleitende Liebesdienste festgelegt werden müssen? Steckt da etwa wieder unsere Ursula von der Leyen dahinter? Oder Kristina?
Aber nichts von alledem! Bei näherer Lektüre stellt sich heraus: Es handelt sich mal wieder um eine höchstrichterliche Diskriminierung von uns Männern. Wie allgemein bekannt, stirbt unsereins, aus welchen Gründen auch immer, nun mal früher als die Frauen. Und deswegen konnten private Rentenversicherungen bis jetzt bei uns Kerlen anders kalkulieren. Weil wir nämlich durch unser geschlechtsspezifisches früheres Wegsterben weniger Rentenbezugszeiten hatten, fiel die monatliche Rentenzahlung etwas höher aus. Ein kleines Trostpflaster für das (statistisch) vorzeitige Ableben.
Grund genug, sich zu überlegen, noch in diesem Jahr noch einen Rürup-Renten-Vertrag mit Einmalzahlung abzuschließen. Denn derzeit (2012) können 74% des eingezahlten Betrages sofort vom zu versteuernden Einkommen abgezogen werden. Allerdings sind die späteren Auszahlungen steuerpflichtig. Mehr Information zu Rürup allgemein → hier.
Wer also mit seinem Einkommen bereits in der oberen Progressionszone liegt (42% Einkommensteuer plus Soli) kriegt somit fast 33% des eingezahlten Betrages, also fast ein Drittel, direkt von der Steuer wieder. Funktioniert allerdings nur bis 20.000€ bei Ledigen, Verheiratete das Doppelte. Allerdings: Hierbei ist einschränkend zu erwähnen, dass das absetzbare Kontingent um den Arbeitnehmer-Anteil sowie den steuerfreien Arbeitgeber-Anteil zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) zu kürzen ist. Somit kann jemand, der in keinem sozialversicherungspflichten Beschäftigungsverhältnis steht, die 20.000 bzw. 40.000 € ausnutzen.
Frage: Lohnt sich das? Möglicherweise für den, der derzeit hohe zu versteuernde Einkünfte hat; hingegen im Alter nur eine bescheidene Rente. Da die Rürup-Rente lebenslang gezahlt wird und bei Tod verfällt, hat das ganze Glückspielcharakter: Lebe ich lange, profitiere ich möglicherweise mehr als bei einer klassischen Kapitalanlage. Sterbe ich früh, ist die Kohle weg. Zudem rechnen die Versicherer mit dem bescheidenen Garantiezins von 1,75%.
So nun kann sich ja jeder ein Angebot von einer Versicherung machen lassen. Geht auch online z.B. →hier.
Heraus kommt ein Angebot für eine lebenslange monatliche Rentenzahlung ab Alter x, frühestens aber ab Alter 60. Preisfrage: Wie alt muß ich werden, damit sich das lohnt? Oder anders herum: Wie viele Rentenzahlungen muss ich erhalten, um bei einer Verzinsung von 1,75% wieder auf den Barwert meines jetzt eingezahlten Kapitals, sagen wir mal 10.000€, zu kommen?
Hierzu sind zwei Rechenschritte erforderlich: 1. Ausgehend vom jetzigen Kapitalbetrag das Kapital mit Zinseszins auf den Beginn der Rentenzahlung berechnen. Dabei unterstellen wir m Jahre: Endkapital = Einzahlung * (1,0175)m . Im Folgenden nennen wir 1,0175 den Zinsfaktor q, das Endkapital EK. Nehmen wir der Einfachheit halber an, daß die Rente vorschüssig an Anfang des Jahres gezahlt wird. Um bei gegebener Ratenzahlung R auf das Kapital EK zu kommen, ist diese Gleichung aufzulösen: EK = R *(1/qn-1)*(qn-1)/(q-1). Hierbei bedeutet n die Anzahl der Jahre der Rentenzahlung. Wenn wir n bestimmen, wissen wir, wie lange die Rente gezahlt werden muß um wieder auf das Kapital zu kommen. Wir versuchen, die Gleichung durch Umformen und logarithmieren nach n aufzulösen:
n= ln((qn-qn-1)*EK/R+1)/ln q
Wie wir sehen, lässt sich diese Gleichung nicht weiter nach n auflösen. Allerdings kann diese Gleichung als Iterationsverfahren für n genommen werden. Ausgehend von einem plausiblen Startwert konvergiert das Verfahren sehr schnell, wie an dem Beispielrechenblatt gezeigt wird.
Im Folgenden das Beispiel, das jeder nachvollziehen kann. Unter der oben genannten Internet-Adresse gebe ich meine Daten ein. Ich will sofort 10.000€ einzahlen. Die erste Rentenzahlung soll nach 13 Jahren erfolgen:
Damit erhalte ich das nachfolgende Angebot. Garantiert ist nur eine Monatsrente von 65,38€, alles andere sind „Hoffnungswerte“. Die erste Rentenzahlung erfolgt zum Nov. 2025.
Frage: wie alt muß ich dann werden? Wir tragen die Werte ein in das Rechenblatt → Rürup-Rechner(nur die gelb hinterlegten Felder sind auszufüllen. Wir starten mit einem Anfangswert von 20 (Jahren) für n:
Wie wir sehen, konvergiert das Verfahren sehr schnell auf einen Wert von 18,51. Das heißt, die Versicherung rechnet ab Beginn der Rentenzahlung (11/2025) mit einer Lebenserwartung von ca. 18 Jahren und 5 Monaten. Das wäre ich etwa 94 Jahre alt! Toll, was die mir zutrauen! Denn laut offizieller Sterbetafel hat ein 75-jähriger gerade mal eine Restlebenserwartung von 10 Jahren!
Hier der Link zur offiziellen Sterbetafel des statistischen Bundesamtes :