RP: Berichterstattung zu Fukushima am 17.11.2011

Die Rheinische Post. Ich schätze diese Zeitung  wegen des hohen Anspruchs ihrer populärwissenschaftlichen Berichterstattung.

Da geben z.B. die Freunde von der schreibenden Zunft am Dienstag letzter Woche, dem 17.11., in der Druckausgabe der RP und wortgleich in RP-online  folgendes von sich:

Fukushima: Böden noch für Jahrzehnte verseucht

zuletzt aktualisiert: 15.11.2011 – 02:30

Washington (dapd). Radioaktives Cäsium aus dem Atomkraftwerk Fukushima könnte die Nahrungsmittelproduktion in den östlichen Provinzen Japans noch mehrere Jahrzehnte lang unmöglich machen. Die Böden seien dort teilweise mit mehr als 2500 Becquerel pro Kilogramm verseucht, berichtet ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“. Damit liege die radioaktive Verseuchung über dem Grenzwert, ab dem die japanische Regierung Landwirtschaft und Viehzucht verbietet.

http://nachrichten.rp-online.de/wissen/fukushima-boeden-noch-fuer-jahrzehnte-verseucht-1.2599868

Indessen  gibt es noch andere Gazetten, die diese Nachricht etwas anders aufbereitet haben. So schreibt z.B. die FAZ desselben Tages mit Bezug auf die gleiche Quelle:

…. In der Präfektur Fukushima liege die Belastung knapp über dem staatlichen Grenzwert, in den an Fukushima angrenzenden Präfekturen Tochigi,  Miyagi und Ibaraki nur knapp darunter….

Ja, was denn nun? Alles doch nicht so schlimm?

Bei Spiegel –online  werden wir zum gleichen Thema fündig:

Weite Teile Japans sind nach dem Fukushima-Unglück radioaktiv schwer belastet. Nun warnen die Forscher vor landwirtschaftlicher Nutzung und fordern genauere Messungen. Selbst in schwach kontaminierten Gebieten entdeckten die Wissenschaftler hochradioaktive Stellen.

Und weiter:

.. In den meisten östlichen Gebieten Japans, so das Fazit der Wissenschaftler, seien die Böden mit mehr als 1000 Megabecquerel pro Quadratkilometer kontaminiert worden. In den Präfekturen nahe des Kernkraftwerks lägen die Werte sogar bei mehr als 10.000 Megabecquerel pro Quadratkilometer. Am höchsten waren die Werte in unmittelbarer Umgebung zum AKW mit mehr als 100.000 Megabecquerel. ..

Die Quelle:

http://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/0,1518,797808,00.html

Jetzt wollen wir es  aber genau wissen. Und nach kurzer Recherche  finden wir  den Originalartikel:

http://www.pnas.org/content/early/2011/11/11/1112058108.full.pdf+html?with-ds=yes

Und siehe da: Es handelt sich nicht etwa um neue spektakuläre neue Meßergebnisse,  sondern um die  Simulationsrechnung eines bestimmten meteorologischen Modells. Vermutlich hat keiner der Redakteure den Originalartikel gelesen, geschweige denn verstanden.  Denn die japanischen Wissenschaftler versuchten, anhand der Zeitreihen   der  Messwerte von  Bodenstationen in Japan auf die Aerosolgröße, Menge, sowie zeitliche  und räumliche  Verteilung  zu schließen. Nicht mehr, nicht weniger. Wie sie selbst zugeben, ist Ihnen das mit den Modellparametern nur unzureichend gelungen.  Schwierigkeiten bereitete insbesondere die große Streuung der Messwerte, z.B. hier:

http://radioactivity.mext.go.jp/en/monitoring_around_FukushimaNPP_soil_monitoring/2011/05/1306622_053110.pdf

Und so merken die Wissenschaftler selbst an:

Comparisons of future observations with our estimates are essential for a more robust assessment.

Diese Bemerkung findet sich allerdings nur in der „Supporting information“:

http://www.pnas.org/content/early/2011/11/11/1112058108/suppl/DCSupplemental

Der Artikel wurde im Juli 2011 verfasst und im Oktober 2011 vom Verlag angenommen. Und um dem ansonsten sehr wissenschaftlichem Artikel etwas mehr Aufmerksamkeit zu verleihen, konnten die japanischen Meteorologen nicht der Versuchung widerstehen, das Ganze im Vorwort etwas aufzupeppen:

The soils around Fukushima NPP and neighboring prefectures have been extensively contaminated with depositions of more than 100,000 and 10,000 MBq km-2, respectively.

Glückliches Japan! Hoffen wir, daß diese Werte stimmen! Denn dann lägen die Messwerte  dort rund um Fukushima deutlich unter denen des bayerischen Waldes, wo man seit über 25 Jahren mit einer deutlich höheren Belastung lebt. So schreibt das irgendwelcher Sympathien für die Atomindustrie völlig unverdächtige  Umweltinstitut München:

Die mittlere Kontamination der Böden in ganz Bayern mit Gesamt-Cäsium betrug im Mai 1986 20.300 Becquerel pro Quadratmeter (Bq/m2). Die Werte reichten von unter der Nachweisgrenze bis über 173.000 Bq/m2. Heute beträgt die mittlere Cäsium-Aktivität der Böden in Südbayern noch etwa 15.000 Bq/m2, wobei ein Anteil von knapp 20 Prozent auf die

radioaktive Vorbelastung infolge der oberirdischen Atomwaffenversuche zurückgeht.

Zitiert aus: http://umweltinstitut.org/download/umweltinstitut_pilze_und_wild.pdf

Weiter schreiben die japanischen Meteorologen in ihrem Artikel:

We hope our 137Cs deposition maps will help to coordinate decontamination efforts and plan regulatory measures in Japan.

Auch da hätten sie Kollegen von der Bodenchemikerzunft aus Bayern  beruhigen können:

Das Verhalten von Radiocäsium in Waldböden unterscheidet sich grundlegend von dem in Wiesen- und Ackerböden. In Ackerböden fehlt die organische Auflageschicht des Waldes. Dort deponierte Radionuklide werden durch mechanische Bearbeitung wie Pflügen in den Oberboden eingemischt. Der hohe Gehalt an Ton und Mineralstoffen führt zu einer zunehmenden Bindung des radioaktiven Cäsiums an Tonmineralien: Es ist so für Pflanzen nicht verfügbar und kann von daher nicht in unsere Nahrung gelangen. 

Fazit: Mit etwas mehr Sorgfalt und Recherche in den Redaktionsstuben ließe sich die Qualität der Beiträge im deutschen Blätterwald, insbesondere zu Fukushima, noch erheblich verbessern.



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