Renomenitis: Nachbetrachtung zum Hindenburgplatz
Veröffentlicht: 19. September 2012 Abgelegt unter: Deutsche Geschichte | Tags: Hindenburg, Hindenburgplatz Münster, Renomenitis Ein KommentarMünster hat abgestimmt. Zumindest die vierzig Prozent der Wahlberechtigten, die sich von der Fragestellung angesprochen fühlten und zur Urne gegangen sind. Den längst verstorbenen Reichspräsidenten wird es nicht mehr berühren, daß der größte Parkplatz der Studentenstadt nun nicht mehr seinen Namen trägt. Und spätere Historiker werden die ganze Geschichte wohl eher als eine skurrile Fußnote zur deutschen Befindlichkeit in diesem Jahrhundert wahrnehmen. Hindenburg als Steigbügelhalter Hitlers, so lautete die gängige Verunglimpfung in der Diskussion. Die Instrumentalisierung des Names Hindenburg diente indessen nur als Kulisse zu einer viel weiter gefassten Geschichtsklitterung: Nämlich der Unterstellung, daß man bereits 1933 hätte wissen müssen, welche verbrecherische Katastrophe sich damals mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler anbahnte. Ein Blick in die Geschichtsbücher ist da hilfreicher als die Lektüre aktueller Medien. So vermisst man z.B. auch bei einer auflagenstarken Tageszeitung wie der Rheinischen Post die notwendige journalistische Sorgfalt bei diesem Thema: https://hansberndulrich.wordpress.com/2012/04/25/leserbrief-zum-artikel-in-rp-am-20-1-2012-70-jahre-wannsee-konferenz/
Aber schauen wir mal, wie damalige Prominente in jener Zeit geurteilt haben, exemplarisch etwa der spätere Nobelpreisträger für Literatur des Jahres 1953, obendrein 1955 geehrt mit dem Karlspreis der Stadt Aachen:
Wenn unser Land (England) einmal besiegt sein sollte, dann hoffe ich, daß wir einen Führer (wie Hitler) finden, unbeugsam genug, um uns wieder Zuversicht zu geben und der uns zurückführt an den Platz, der uns unter den Völkern gebührt.
Im Original:
One may dislike Hitler’s system and yet admire his patriotic achievement. If our country were defeated, I hope we should find a champion as indomitable to restore our courage and lead us back to our place among the nations.
Es war im November 1935, als Winston Churchill diese Zeilen zu Papier brachte. Ein Jahr zuvor hatte man Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und von Hindenburg zu Grabe getragen.
Was den Münsteraner Geschichtsignoranten vermutlich unbekannt ist: Hindenburg setzte sich bei der Reichspräsidentenwahl im Jahre 1932 gegen Hitler durch. Im Wahlkampf stellten die Nazis den amtierenden Reichspräsidenten Hindenburg als „Judenfreund“ hin. Das nachfolgende zeitgenössische Plakat ist der →Ausstellung in der Wannseevilla entnommen:
Auf dem Plakat sind als pro-Hindenburg abgebildet (links nach rechts, oben nach unten):
Dr. Bell
Nun hat man in Münster den einzigen jemals in Deutschland vom Volke gewählten Reichspräsidenten entehrt, einen honorigen Mann, der – damals auch von der SPD getragen- sich immer an die Weimarer Verfassung gehalten hat. Und der nach vielen Weigerungen dem Vorsitzenden der mit Abstand stärksten Fraktion im Reichtsag die Kanzlerschaft in der Erwartung anvertraute, sein geliebtes, von Unruhen und Revolution bedrohtes Land damit zu stabilisieren.
Und an das Ende dieses unsäglich peinlichen Vorganges in Münster, den wir einem Oberbürgermeister verdanken, der nur einseitig ausgerichtete Spät-achtundsechziger-„Experten“ bei seinen Veranstaltungen zuließ und Presse und Medien zu einer infamen Hetzkampagne veranlaßte (der „Schwaze Kanal“ von Karl-Eduard von Schnitzler läßt grüßen) möchte ich ein Zitat des Paul von Hindenburg stellen:
„Als Mensch habe ich gedacht, gehandelt und geirrt. Maßgebend in meinem Leben und Tun war für mich nicht der Beifall der Welt, sondern die eigene Überzeugung, die Pflicht und das Gewissen“.
Mit diesem Bekenntnis steht der greise Präsident haushoch über den Kleingeistern von Münster.
Gefällt mirGefällt mir