Feindbild Familie: Moderne Spiegelfechterei

Der Spiegel, jene Hamburger Life-Style-Illustrierte mit dem pseudo-intellektuellem Anstrich, hat ein neues Feindbild entdeckt: Die Familien. Denn angeblich bekommen die zu viel Geld, nämlich 200 Mrd. Euro. 

Es gibt ein paar alte Volksweisheiten: Viele Köche verderben den Brei. Ein Rindvieh macht Mist. Viele Rindviecher machen viel Mist. Der Leser, der sich die Lektüre der Titelgeschichte des „Spiegels“  vom 4.2.2013 antut und bis zum bitteren Ende durchhält, wird eher dem letzten Merksatz zuneigen. Haben sich doch dort unter dem reißerischen Titel „Deutschlands gescheiterte Familienpolitik“  sogar sechs Journalisten in einer Gruppenarbeit ausgelassen. Offenbar wurde da ein halbgares, noch unveröffentlichtes Arbeitspapier aus dem Hause Kristina Schröder  an die Redaktionsstuben durchgestochen. Und die haben sich begierig darauf gestürzt und ihre eigene Suppe gekocht. So etwas läuft unter Kampagnenjournalismus.

Rad ab

Rad ab

Die Titelillustration mit den dreirädrigen Kinderwagen spricht für sich: Die Spiegelfechter haben tatsächlich ein Rad ab. Konkret geht es darum, daß angeblich 200 Mrd. Euro jährlich umsonst für eine fehlgesteuerte Familienpolitik verpulvert würden.  Sie hier:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-90848686.html

Die Spiegelredaktion zieht mächtig vom Leder: 

 Noch immer gilt der Schutz der Familie hierzulande als nationales Heiligtum“.

Es geht um eine Wende.“ 

Hierzulande wurde dem Credo gehuldigt, wonach Kinderbetreuung Privatsache sei.“

Es wird Zeit für einen Paradigmenwechsel“.

 Das hat nichts mit seriöser Berichterstattung zu tun, das ist pure Polemik und Ideologie.

Alles für die Familie?

Alles für die Familie?

Der Artikel selbst  gibt sich einen pseudowissenschaftlichen Anstrich. Gibt es doch ein Kuchendiagramm, das den Eindruck solider recherchierter Zahlen vermitteln soll. Die Werte sind direkt aus einer anderen Quelle übernommen, stark vereinfach und verkürzt. Da tauchen Brocken von über 30 Mrd. Euro mal so unter „Sonstiges“ auf. Wenn der interessierte Leser da weiter auf den Grund gehen will, muß er schon googeln, um beim BMFSF fündig zu werden, nämlich →hier.

Da werden Witwenrenten und Beamtenversorgung als „Ehebezogene Leistungen“ etikettiert.  Die Pension einer heute 85-jährigen Beamtenwitwe oder von mir aus auch der von Margot Honecker im fernen Chile hat nichts mit Familienpolitik zu tun. Und nichts, aber auch gar nichts mit der Fertilität oder dem Zeugungsunwillen jetziger Twens in unserem Land. Die Suggestion, hier handele es sich um eine disponible Finanzmasse, führt ins Leere. Die Leere, die offenbar im Oberstübchen der Spiegel-Redakteure herrscht, die dieses Zahlenwerk einfach mal so übernommen und für ihre Zwecke verwurstelt haben.

 Ein besonderes Reizwort: Ehegattensplitting. Kein Gedanke wird daran verschwendet, daß ein Partner in der Ehe für den jeweils anderen unterhaltspflichtig ist. Und daß dies nach unserer Verfassung bei der Besteuerung berücksichtigt werden muß. Aber hier sind sich Rot-Grün, links-alternative Redaktionsstuben, Gewerkschaften und Arbeitgeberpräsidenten so einig wie selten: Frauen gehören ins Büro oder in die Fabrik, aber nicht in Küche oder Kinderzimmer!

 Es ist schon irgendwie pervers, wenn eine vom Verfassungsgericht vorgeschriebene Steuererleichterung zur Sicherung des Existenzminimums von Kindern als staatliche Leistung etikettiert wird. Wenn mir etwas weggenommen wird und ich kriege einen kleinen Teil zurück, ist das eine Leistung? Aber ein solcher Gedankengang ist den Hamburger Schreiberlingen schon zu kompliziert und unterbleibt somit.

Es wäre müßig, alle Gedankenfehler, Holzwege und Lücken in dem Elaborat aufzuzeigen. Daher nur einige Beispiele:

Es  fehlt die Ceteris-paribus Betrachtung. Nämlich die Überlegung, ob bei Abschaffung des Kindergeldes oder sonstiger Zuwendungen nicht noch weniger Kinder geboren werden. Gerade köstlich  ist die Aussage, daß das Ehegattensplitting bei 83% der Befragten keine Rolle gespielt haben soll. Wer  gibt eigentlich freiwillig zu,  des Geldes wegen geheiratet zu haben?

 Was ebenfalls fehlt: Die Erwähnung, daß die Hälfte aller Babys in dieser Republik inzwischen in Migrantenfamilien geboren werden. Und bei denen ist der Anteil der erwerbstätigen Frauen besonders niedrig, hingegen die Anzahl der Haushalte, die von Sozialtransfers leben, besonders hoch. Aber diese allgemein bekannte Tatsache passt nicht ins Spiegelbild. 

 Und noch etwas fehlt: Der Blick über die Grenzen. Denn der Geburtenrückgang ist kein spezifisch deutsches, sondern ein europäisches Problem. Hier wäre eine vergleichende  Analyse, wie unsere Nachbarn mit dem Problem umgehen, interessant. Die sucht der eifrige Leser indessen vergebens. Gerade mal ganze zwei Sätze findet er dazu in dem Acht-Seiten-Artikel.  

 Man könnte der ganzen Diskussion um das Ehegattensplitting die Grundlage wegziehen. Wenn nämlich unsere von allen Sozialpolitikern mit Klauen und Zähnen verteidigte Steuerprogression durch die von Prof. Paul Kirchhoffvorgeschlagene Flat Tax ersetzt würde.  Dann wäre das Ehegattensplitting bei Berücksichtigung der Grundfreibeträge tatsächlich obsolet.

Der Abschaffer

Der Abschaffer

Unser gescheiterter Flughafenbauherr, der Brandenburger Matthias Platzeck, versucht auf der  vom Spiegel losgetretenen medialen Welle zu reiten und bläst ins gleiche Horn:Platzek1

hier → http://news.de.msn.com/politik/platzeck-ehegattensplitting-ist-%c3%bcberholt

 Ich konnte mich nicht beherrschen, ich musste das kommentieren:

Mein Kommentar

Erfreulich für mich: nur sieben gesenkte Daumen, dafür fast zweihundertmal Zustimmung. Das läßt hoffen.

Euer Bernd

Nachtrag zum Jahreswechsel 2015/2016: Die SPD läßt nicht locker. In dem Programmkommissionen wird immer noch darüber sinniert, wie man den alleinverdienenden Familienvater besser schröpfen kann. Der folgende Leserbrief in der FAZ bringt die Dinge auf den Punkt:

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