Tausendfünfhundert deutsche Marinesoldaten unter türkischer Flagge!

Eine beispielhaft gelungene Integration! So oder ähnlich könnte ein aktueller Kommentar lauten. Indessen: Es handelt  sich nicht um eine  brandneue Schlagzeile. Denn das  ganze geschah vor genau einhundert Jahren,  in den ersten Tagen des Weltkrieges. Umso erstaunlicher, daß heute nirgendwo in den Medien an das hochdramatische, filmreife Geschehen von damals erinnert wird.

Vorausgegangen war eine abenteuerliche Verfolgungsfahrt quer durch das Mittelmeer.  Zwei deutschen Kreuzern, der Goeben und der  Breslau, war es gelungen, einem weit  überlegenen englischen Kampfgeschwader zu entkommen. Dabei hätten die Engländer die deutschen Schiffe schon gleich zu Anfang versenken können. Aber die britische Admiralität gab keine Feuererlaubnis. Denn die deutschen Armeen waren noch nicht in Belgien einmarschiert. England wollte diesen Bruch der Neutralität abwarten, um selbst eine moralische Begründung für den Kriegseintritt zu haben.   Als die Briten dann endlich ihr ersehnten „Feuer frei“ bekamen, waren die deutschen Schiffe schon außer Reichweite. So konnten die beiden Kreuzer entwischen. Dabei hatten die Besatzungen von Goeben und Breslau bereits ihr Testament gemacht.

SMS Goeben als Sultan Yavus Selim unter türkischer Flagge

SMS Goeben als Sultan Yavus Selim unter türkischer Flagge

Um es kurz zu machen: Der deutsche Admiral hatte die Engländer ausgetrickst. Anstatt zu versuchen, sich durch Gibraltar, Atlantik und Nordsee in heimatliche Häfen durchzuschlagen, dampfte er mit seiner kleinen Flotte einfach nach Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, und unterstellte sich dort dem Kommando der Türken. Folglich wurden die deutschen Schiffe umgetauft: Aus Goeben wurde →Sultan Yavus Selim, aus Breslau Midilli.  Und statt der Matrosenmütze wurde den Seeleuten einfach der türkische Fez übergestülpt. So einfach ging damals Integration!

Die beste Darstellung über die damaligen Ereignisse findet sich hier:

http://www.deutsche-schutzgebiete.de/sms_goeben.htm

http://www.deutsche-schutzgebiete.de/sms_breslau.htm

und ebenfalls lesenswert:

http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/109402.html

Während der kleine Kreuzer Midilli (ex Breslau) später auf eine Mine lief und unterging, überlebte der alte Schlachtkreuzer Yavus (ex Goeben) zwei Weltkriege, fuhr später noch unter NATO-Kommando und wurde erst Anfang der sechziger Jahre außer Dienst gestellt. Mehrere Rückkaufangebote der Türkei wurden von deutschen Regierungen ausgeschlagen: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46274324.html  Die letzte Chance gab es Anfang der siebziger Jahre. Aber  Bundeskanzler Willy Brandt arbeitete seinerzeit hin auf den Friedensnobelpreis. Der Erwerb eines ehemaligen Kriegsschiffes der kaiserlichen Marine, und sei es nur als Museum, passte da nicht ins Bild. Und so wurde dieser alte Kreuzer, der  Weltgeschichte geschrieben hat wie kaum ein anderes Schiff, unwiederbringlich verschrottet.  Ein solcher Veteran hätte ein besseres Ende verdient.

Schade!

Schlachtkreuzer Yavus auf einer Briefmarke 1949

Schlachtkreuzer Yavus auf einer Briefmarke 1949