Der Gutmensch im Allgemeinen und im Besonderen

Das war Gedankenübertragung! Schon seit geraumer Zeit wollte ich dem Gutmenschen in meinem Blog ein literarisches Denkmal setzen. Und da kommt so ein  Verein daher und erklärt den Gutmenschen zum Unwort des Jahres! Na ja, jetzt erst recht! Hier ist eine Ehrenrettung für diesen liebenswerten Zeitgenossen bitter notwendig! Der Einfachheit halber kürze ich den Begriff im weiteren Text mit GM ab. Damit ist selbstverständlich keine Herabsetzung dieses Personenkreises beabsichtigt.

Bisher war ich der Ansicht, daß nur neue Wortschöpfungen in die Wahl zum Wort bzw. Unwort des Jahres kommen. Ein Irrtum. Denn den GM gibt es schon länger. Erstmalig taucht er zur Jahrtausendwende in der 22. Auflage des deutschen Duden auf. Da heißt es:

Gutmensch, der (oft abwertend für jmd., der sich besonders für Political Correctness engagiert)

Weiter fand sich bereits in der 21. Auflage des Duden die weitergehende Erklärung:

Political Correctness: (von einer bestimmten Öffentlichkeit als richtig angesehene Gesinnung)

(Kleiner Einschub zum Wort des Jahres: Mein Vorschlag für diese Auszeichnung war von jeher der „Biodeutsche“. Ein Begriff, der vor Jahren mal von einem grünen Politiker mit Migrationshintergrund für die autochthone Bevölkerung hierzulande geprägt worden ist. Ich hatte diesem Vorschlag nie eine Chance gegeben, denn die Wortschöpfung ist schon ein paar Jahre alt. Ich werde es erneut bei diesem Gremium  versuchen und dann hier an dieser Stelle darüber berichten. Schade eigentlich, denn umgekehrt habe ich von einem „Biotürken“ bis jetzt noch nichts gehört. Das liegt vermutlich daran, daß das ethnische Beharrungsvermögen der dort ansässigen  Bevölkerung so groß ist, daß für Zuwanderer eh kein Platz ist und damit die Notwendigkeit einer semantischen Abgrenzung entfällt.)

Zurück zum GM: Der GM an sich ist mir sympathisch, denn er ist von Natur aus Optimist. Ich mag Optimisten. „Wir schaffen das!“ Der GM glaubt unerschütterlich an das Gute im Menschen.  Er handelt nach einer einfachen Formel: Wenn ich lieb zu Dir bin, dann bist Du ganz bestimmt auch lieb zu mir.  Am liebsten würde der GM die ganze Welt zu sich nach Hause einladen und umarmen. Kein Mensch ist illegal! Der alte Hippiespruch: Make love, not war! folgt dem gleichen pazifistischen Denkmuster. Oder etwa der Sinnspruch: Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin. Pazifismus und Gutmenschentum sind zwei Seiten derselben Medaille. „Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin“ , so heißt es in der Bergpredigt.

Enttäuschung und Wandlung einer Gutmenschin nach Wilhelm Busch

Enttäuschung und Wandlung einer Gutmenschin nach Wilhelm Busch

Nun sind nicht alle unsere Mitmenschen GMs. Ich selbst zähle mich auch nicht zu dieser Kategorie. Denn nach meinem Selbstverständnis bin ich weder Pessimist noch Optimist, sondern Realist. Zwar umgibt sich der GM am liebsten mit Seinesgleichen, aber das gelegentliche Zusammentreffen mit Nicht-GMs bleibt ihm nicht erspart. Der GM sucht bei den unausweichlichen Enttäuschungen dann den Fehler zunächst bei sich selbst. Was habe ich falsch gemacht? War ich nicht lieb genug?

Sollte der GM auf einen widerspenstigen Nicht-GM treffen, dann hat er einfache Erklärung parat: Der Nicht-GM wurde einfach falsch sozialisiert, nicht richtig erzogen, wurde diskriminiert oder hatte eine schwere Kindheit. Daher hat jeder GM den Wunsch, seine Umwelt ebenfalls zu GMs zu erziehen. Deswegen kommt der GM regelmäßig mit einen missionarischen Eifer daher. Er will einfach die Welt besser machen, zur Not auch gegen deren Willen.  Und wenn die Welt nur noch von GMs bevölkert ist, dann haben wir das Paradies auf Erden. So die Vorstellung.

Diese Geisteshaltung hat ihr ideologisches Fundament in dem Weltbild der Achtundsechziger und ihrer Adepten. Denn nach deren Überzeugung geht alles Übel von der Gesellschaft aus, niemals von der einzelnen Person. Entsprechend dieser Lehre sind alle Menschen von Geburt an in ihren Anlagen und Empfindungen völlig identisch. Selbst das Geschlecht, also die Differenzierung nach Männlein und Weiblein ist ein dem Einzelnen aufoktroyiertes soziales Konstrukt.  Dieser Denkweise folgend, prägt erst die repressive Gesellschaft eine ursprünglich unbedarfte Person zum Bösewicht.

Aus diesem Grund lehnt der GM individuelle Strafen grundsätzlich ab.  Denn nach seiner Überzeugung ist der einzelne Täter ja gar nicht schuldfähig. Statt dessen liegt die Schuld bei der Gesellschaft bzw. beim einzelnen Opfer, das Fehler gemacht hat: Möglicherweise provozierend geschaut, aufreizend gekleidet, das teure Smartphone zu offensichtlich getragen, unvorsichtigerweise auf ein Rauchverbot hingewiesen, sich über Lärm beschwert, oder einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Und da der Logik des GMs folgend den Täter grundsätzlich keine Schuld trifft wir dieser auch nicht bestraft.

Nun haben die Achtundsechziger den Marsch durch die Institutionen schon vor Jahrzehnten erfolgreich bewältigt und sich als Funktionäre des Gutmenschentums an den Spitzen von Politik, Justiz,Verwaltung und Medienapparaten etabliert.  Somit erklärt sich auch das inzwischen weit verbreitete Phänomen der Mehrfach- oder Intensivtäter: In früheren Zeiten wanderten diese hinter Schloss und Riegel; heutzutage werden es in unserem Straßenbild tagtäglich mehr. Sofern eine repressive Polizei trotzdem mal eines Gesetzesbrechers  habhaft wird, wird dieser nach kurzer Aufnahme der Personalien im Revier sogleich wieder auf freien Fuß gesetzt. Schlimmstenfalls verordnet Monate später ein Richter mal ein paar Sozialstunden oder ein Antiaggressionstraining.  Das war es dann auch schon.

Trotzdem hat der GM  bei aller Gutmütigkeit ein Feindbild: Jenen Teil der  Gesellschaft, der sein Weltbild nicht teilt.  Und so kann der GM bei allem Gutmenschentum auch mal richtig böse werden:  Macht kaputt, was Euch kaputt macht! Dieser alte Schlachtruf der 68-er wirkt bis in die heutigen Tage fort und entlädt sich gelegentlich bei gewalttätigen Aktionen wie etwa  den 1. Mai-Spaziergängen,  Antifa-Aktionen wie z.B. bei der  Europäischen Zentralbank oder sonst wo, wo man seiner Wut auf ein verhasstes System Luft machen kann. Denn dem GM ist eines gewiss: Er hat nicht nur die Erkenntnis, sondern auch die Moral auf seiner Seite. Das gibt ihm Selbstgewissheit und ein missionarisches Sendungsbewusstsein.

Allerdings: Der GM hat auch seine Kritiker. Einige werfen ihm Weltfremdheit vor. Tatsächlich gab es in der Geschichte der Menschheit keine Gesellschaft, die nur aus GMs bestanden hat und funktioniert hätte. Mit  Moral alleine schafft man weder  Wirtschaftswachstum noch Arbeitsplätze, wie unlängst ein Industriekapitän konstatierte:

Gutmensch

Mein persönliches Fazit: Gutmenschen sind gut. Vertrauen ist gut. Kontrolle ist besser. Bekanntlich ist das Bessere der Feind des Guten. Wir leiden in diesem Land unter massiven Kontrollverlusten, sowohl nach innen wie nach außen.  Wir sollten daher die Geschicke dieses Landes nicht in den Händen derer lassen, die es gut meinen sondern denen anvertrauen, die es besser machen.  Es gibt eine Alternative.

Euer Bernd