Hassbotschaften, Falschmeldungen und Unwissenheit bei SPD-Genossen
Veröffentlicht: 23. März 2017 Abgelegt unter: Leserbriefe an Rheinische Post, Politikversagen | Tags: Hassbotschaften 2 KommentareLiebe Freunde,
nein, es geht nicht um die üblichen Zuschreibungen als Pack, Abschaum, Rattenfänger, Dödel oder andere Unflätigkeiten. Das wäre nichts neues, das sind wir gewohnt. Ich will statt dessen von einer denkwürdigen Veranstaltung am 11.März im hiesigen Ratinger Brauhaus berichten. Die lokale SPD-Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese hatte leibhaftig einen der engsten Mitarbeiter des Bundesjustizministers Heiko Maas zum Vortrag und Podiumsdiskussion nach Ratingen eingeladen. Als parlamentarischer Staatssekretär vertritt Christian Lange nämlich seinen Chef Heiko im Bundestag, falls der Minister gerade mal etwas wichtigeres zu tun hat. Von einem Spitzenbeamten in dieser Funktion sollte man eigentlich umfassendes Wissen über sein spezielles Fachgebiet erwarten.
Die Rheinische Post berichtete einige Tage später über diese Veranstaltung:
Natürlich war das ganze eine SPD-Propagandashow, in welcher der Herr Staatssekretär kräftig die Werbetrommel rührte für einen neuen SPD-Gesetzentwurf, mit dem Internetprovider zur Säuberung unliebsamer Netzinhalte angehalten werden sollen. Dabei werden Facebook und Konsorten Bußgelder in Höhe von bis zu fünfzig Millionen Euro angedroht. Die Ungereimtheiten des Abends veranlassten mich zu dem nachfolgenden Leserbrief an die Rheinische Post:
An: ‚redaktion.ratingen@rheinische-post.de‚ Betreff: Leserbrief: Rubrik Stadtgespräch RP vom 22.3.: „Kerstin Griese nimmt sich des Themas Hassbotschaften an“
Sehr geehrtes Redaktionsteam,
ich war an der besagten Veranstaltung am 14. März im Ratinger Brauhaus mit Kerstin Griese und dem Staatssekretar Christian Lange, beide SPD, zugegen. Vortrag und Diskussion hatten es in sich: Christian Lange, seines Zeichens parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium und als solcher direkt Minister Heiko Maas unterstellt, beklagte sich zunächst wortreich über eine angeblich mangelnde Kooperationsbereitschaft von Facebook mit den deutschen Institutionen. Damit versuchte er den neuen Gesetzentwurf zu begründen, mit dem solche Internetprovider für die von Dritten eingestellten Inhalte auf ihren Plattformen mit Strafandrohung von Millionenbußgeldern in die Pflicht genommen werden sollen.
Auf meine Nachfrage zeigte er sich erstaunlich uninformiert über die schon seit längerem praktizierte Zusammenarbeit von Facebook mit der Bertelsmann-Tochtergesellschaft Arvato bei der Bereinigung unziemlicher Facebook-Inhalte. Immerhin hatten mehrere überregionale Zeitungen über diese Kooperation, bei der einige hundert(!) „Reinigungskräfte“ von Facebook für diese Tätigkeit engagiert wurden, berichtet. So auch die Rheinische Post:
Die Bemerkung eines anderen Zuhörers, daß er dergleichen auch im „Spiegel“ gelesen habe, wischte der Staatssekretär beiseite mit einer launigen Bemerkung, welche die Glaubwürdigkeit dieser Zeitschrift in Frage stellte, beiseite.
Meine Frage: „Warum überhaupt dieser neue Gesetzentwurf?“ konnte der Staatssekretär nicht schlüssig begründen. Die von Kerstin Griese und Herrn Lange aufgezeigten Beispiele ergangener Urteile zeigten ja gerade, daß der Justizapparat auf Basis der bestehenden Gesetze durchaus handlungsfähig ist. Schließlich sind Beleidigung, Verleumdung und üble Nachrede jetzt schon strafbewehrt. Meine Anmerkung während der Veranstaltung: „In NRW gab laut Kriminalstatistik es in 2015 dazu etwa 50.000 Anzeigen wegen Beleidigung oder Verleumdung. In diesen Zahlen ist nicht aufgeschlüsselt, wie häufig dabei das Internet Tatmittel war. In ganz Deutschland gab es in dem Zeitraum dazu nur 30.091 Verurteilungen Somit führt nur ein geringer Teil der erfolgten Anzeigen tatsächlich zu einer Sanktion. – Wenn man bedenkt, daß im gleichen Zeitraum in NRW 62.362 Wohnungseinbrüche gezählt wurden, dann relativieren sich diese Zahlen im Hinblick auf den Leidensdruck in der Gesellschaft.“ An dieser Stelle wurde ich von der Moderatorin unterbrochen. Dieser Vergleich schien ihr unpassend.
Ein weiterer Gesprächsgegenstand an dem Abend waren die „Fake News“ , die sich grassierend im Internet verbreiten sollen. Ich merkte dazu in der Diskussion an, daß gerade die etablierten Medien durch Glaubwürdigkeitsverluste erst ein Klima geschaffen haben, in dem solche Fake News gedeihen können. Als Beispiel zitierte ich aus dem Kölner Polizeibericht vom Morgen des 1. Januar 2016: „Ausgelassene Stimmung – Feiern weitgehend friedlich… die Einsatzlage gestaltete sich entspannt – auch weil die Polizei sich an neuralgischen Orten gut aufgestellt und präsent zeigte.“ Auch an dieser Stelle ließ man mich nicht ausreden. Offenbar gehörte das nicht in die Kategorie jener Fake News, die an diesem Abend thematisiert werden sollten.
Mit freundlichen Grüßen
Schon einige Tage zuvor hatte ich mich in einem persönlichen Mail an den Herrn Staatssekretär bemüht, seine Wissenslücken zu beheben:
An: ‚christian.lange@bundestag.de‚ Cc: ‚Elisabeth.Mueller-Witt@landtag.nrw.de‚; ‚kerstin.griese@bundestag.de‚; ‚klaus-konrad.pesch@ratingen.de‚ Betreff: Nachlese zur Veranstaltung „Soziale Medien“ am 14.3. in Ratingen: Facebook
Sehr geehrter Herr Staatssekretär Christian Lange,
ich war unter den Zuhörern und Fragestellern in jener Veranstaltung am vergangenen Dienstag in Ratingen, die Sie zusammen mit Frau Kerstin Griese MdB im Brauhaus Ratingen durchgeführt haben: http://www.spdfraktion.de/termine/2017-03-14-soziale-medien-fake-news-hassbotschaften
In Ihrem Vortrag konnte man den Eindruck gewinnen, daß Facebook nur unzureichend mit deutschen Behörden und der Justiz kooperiert. Ich habe daher am Ende Ihrer Ausführungen an Sie die Frage gerichtet, wie sich die Kooperation von Facebook mit der Bertelsmann-Tochter Arvato in diesen Kontext einordnet. Medien hatten hat vor einiger Zeit darüber berichtet, daß einige hundert(!) Mitarbeiter bei Arvato im Auftrag von Facebook unpassende Inhalte löschen. Ein Zuhörer pflichtete bei, daß der Spiegel darüber geschrieben habe. Sie, Herr Lange, äußerten, daß Ihnen nichts dergleichen bekannt sei.
Ich habe mir nun die Mühe gemacht und dazu recherchiert. Tatsächlich hatten verschiedene, allgemein als seriös bekannte Presseorgane darüber geschrieben. Hier eine Auswahl:
Der Spiegel vom 15.3.2016:
Die Süddeutsche vom 15.12.2016 spricht von 600 (!) Mitarbeitern. In den Text wird von „Druck des Justizministeriums“ berichtet.
http://www.sueddeutsche.de/digital/exklusive-sz-magazin-recherche-inside-facebook-1.3297138
Ebenso die FAZ:
Aus dem Text: In Deutschland wird die Entscheidung, welche Inhalte auf Facebook stehen dürfen, ob gefälscht oder nicht, ob brutal oder kriminell, von mehr als 100 Mitarbeitern des Dienstleisters Arvato getroffen. Die Tochtergesellschaft von Bertelsmann kümmert sich im Auftrag Facebooks darum, gemeldete Inhalte zu überprüfen.
Ebenso der Focus: http://www.focus.de/finanzen/news/ende-januar-verlaesst-er-springer-kai-diekmann-und-facebook-wird-das-das-social-media-paar-2017_id_6431530.html
Aus dem Text: In Berlin sollen 600 Mitarbeiter damit beauftragt sein, auf Facebook gemeldete Inhalte zu löschen.
Ebenso die ZEIT:http://www.zeit.de/digital/internet/2016-01/facebook-hasskommentare-loeschung-arvato-berlin
Bei dieser Fülle an Quellen scheint es mir unwahrscheinlich, daß es sich bei diesen Berichterstattungen sämtlich um Fake-News handeln soll.
Mit freundlichen Grüßen Bernd Ulrich
Leider hat der Staatssekretär nicht auf dieses Mail geantwortet. Dabei hätte ich ein kleines Dankeschön für die Recherche erwartet. Mit im Auditorium der Veranstaltung saßen auch unser Bürgermeister Konrad Pesch und die SPD-Landtagsabgeordnete Müller-Witt. Diese beide hatte ich in CC gesetzt.
Mein Leserbrief wurde nicht veröffentlicht.
[…] Kerstin Griese, MdB und SPD-Genossin. Angesprochen auf den Umstand, daß ihr Justiz-Staatssekretär Christian Schmidt sein Ratinger Publikum einst dreist belogen hatte: Schweigen, nichts als Schweigen. Apropos Ex-Bürgermeister: Sogar der verflossene Harald B., […]
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Youur the best
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