Sprachverrohung in der FAZ
Veröffentlicht: 13. Juli 2019 Abgelegt unter: Leserbriefe an die FAZ, Tagebuch Hinterlasse einen KommentarIm Rahmen der Leserbriefdebatte in der FAZ um eine „Mitschuld“ der AfD an dem Mord am Regierungspräsidenten Lübcke äußerte sich ein Leser wie folgt und forderte damit meinen Widerspruch heraus:
Nachfolgend mein Leserbrief dazu an die FAZ:
Dem Leserbrief von Dr. Ruprecht Kampe vom 3.7. „Jeder muss sich selbst befragen“ kann man in weiten Teilen zustimmen, soweit er die beklagenswerten Auswirkungen von allgemeiner Sprachverrohung beschreibt. Indessen bleibt ein wichtiger Aspekt unerwähnt: Das schlechte Beispiel von führenden Repräsentanten des Staates und Politikern der etablierten Parteien. Wenn etwa eine unbequeme Opposition wahlweise als „Pack“, „Dumpfbacken“, „Dödel“, „Schande für Deutschland“ oder als „Rattenfänger“ bezeichnet wird, dann taugt dies als mindestens ebenso gutes oder auch schlechtes Beispiel für den zunehmenden Wegfall von Hemmschwellen. Denn die Bezeichnung „Rattenfänger“ für Politiker der AfD impliziert, daß es sich bei ihren Anhängern um Ratten handelt. Gerade diese „tierische“ Gleichsetzung mit Ungeziefer und Schädlingen erinnert an böse Zeiten und verfängt leider immer noch beim Publikum. Der Vorsteher einer Kultusgemeinde in Düsseldorf verglich unlängst AfD-Mitglieder mit „Würgeschlangen“. Ein mit öffentlichen Geldern finanziertes Begegnungszentrum in dieser Stadt veranstaltet in diesen Tagen einen Workshop mit dem Titel „FCK AfD“. Damit ist kein Fußballverein aus der Pfalz gemeint.
Diese Diffamierungen zeigen die beabsichtigte Wirkung beim Bürger. Jeder, der regelmäßig an den Informationsständen der AfD seinen Dienst tut kann über Pöbeleien und Aggressionen aus dem Publikum berichten. „Euch müsste man verbrennen!“ zischte etwa eine gut gekleidete Passantin mittleren Alters mir persönlich zu. Spucken, Drohgebärden, aggressive Annäherungen bis hin zu Handgreiflichkeiten gehören leider zu den üblichen Erfahrungen. Wenn irgendwelche Internetnutzer sich der Hasssprache bedienen, dann ist das eine Sache. Wenn so etwas aus dem Mund von Ministern, Amtsträgern, Abgeordneten oder gar Präsidenten kommt, dann hat das eine ganz andere Qualität. Die oben genannten Reaktionen von Passanten sind keine unbeabsichtigten Kollateralschäden solcher Redensarten, sondern sind durchaus gewollt und dienen der Einschüchterung des politischen Gegners.
Zum Fall des mutmaßlichen Attentäters bleibt nachzutragen, daß dieser sich, nach allem, was bekannt ist, offenbar schon vor Jahrzehnten rechtsextrem radikalisiert hat. Die AfD wurde bekanntlich erst im Jahr 2013 aus der Taufe gehoben. Dieser Partei eine Mitschuld zu geben an der Persönlichkeitsentwicklung des Attentäters geht an der Wirklichkeit vorbei.
Mit freundlichen Grüßen Bernd Ulrich
Der Leserbrief wurde (noch) nicht veröffentlicht.