Die braune Brühe des Volker Zastrow
Veröffentlicht: 7. Dezember 2015 Abgelegt unter: Leserbriefe an die FAZ | Tags: Friederike Haupt, Volker Zastrow 6 KommentareGeistiger Dünnschiss – eine derbe, aber nicht unübliche süddeutsche Formulierung für schwachsinniges Zeug, das jemand von sich gibt. Auch der bayerische Kraftausdruck: Dem haben sie ins Gehirn gesch….n! gehört zur gleichen Kategorie. Geht das eine doch mit dem anderen Hand in Hand.
Nein, üblicherweise findet eine derartige Fäkalspräche keine Verwendung in meinem Vokabular. Die Leser meines Blogs mögen das bestätigen. Indessen, als ich vor einigen Tagen ein übles Traktat des FAZ-Journalisten Volker Zastrow in meiner bis dato geliebten Sonntagszeitung verdauen mußte, da ergaben sich diese Assoziationen ganz von selbst. Rührte der Autor da doch ganz kräftig in brauner Brühe. Und sudelt dann herum.
Noch am gleichen Vormittag verfasste ich einen Leserbrief, der gleichzeitig als persönliche Botschaft an Volker Zastrow adressiert war:
Sehr verehrter Herr Zastrow,
ich bin so frei, Sie heute persönlich anzuschreiben. Ich nehme mir das Recht als FAZ-Abonnent, der Ihrem Blatt seit über vierzig Jahren die Treue gehalten hat. Auch die FAS habe ich vom ersten Ausgabetag an bezogen.
Üblicherweise gehört es zu meinem sonntäglichen Vergnügen, als erstes die FAS aus dem Briefkasten zu holen und aufzublättern. Heute hingegen hielt sich das Vergnügen in Grenzen. Genauer gesagt: Die Lektüre ihres Artikels hat mir gründlich den Frühstücksappetit verdorben. Und mir ist auch jetzt noch übel.
Denn was Sie heute in Ihrem Artikel über die AfD behaupten, geht an die Grenzen journalistischer Meinungsfreiheit. Nichts als Falschbehauptungen, Schmähungen und Unterstellungen. Die behauptete Nähe zum NS-Gedankengut ist ein Schlag unter die Gürtellinie und obendrein eine ganz üble Beleidigung. Gewalt? Waren Sie mal auf einer AfD-Veranstaltung? Gewalt geht ausschließlich von den Gegendemonstranten aus. Lesen Sie ruhig mal die entsprechenden Polizeiberichte. Völkisches Gedankengut? Den Beweis bleiben Sie schuldig, statt dessen Mutmaßungen. Und wenn Sie mal die Meinungsäußerungen eines einzelnen Wachmanns als stellvertretend für die AfD bezeichnen: Mit dem gleichen Recht könnte man von der Geisteshaltung der Hooligans auf die Gesamtheit aller Fußballfans schließen.
Nein, Herr Zastrow. Dieses Elaborat ist kein Ruhmesblatt. Es ist unter Ihrem Niveau und beleidigt den Intellekt ihrer Leserschaft. Bleiben wir ruhig mal bei dem „Völkischen Gedankengut“: Es ist allgemein bekannt, daß das Entstehen des Nationalismus in Europa (und nicht nur in Deutschland!) als Folge der Befreiungskriege auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zu verorten ist und nicht in der zweiten. „Die schwarze Milch des Antisemitismus“ als Folge völkischer Gedanken? Das klingt zwar schön nach Paul Celan, ist indessen schlichtweg Blödsinn und hat obendrein nichts, aber auch gar nichts mit der AfD zu tun. Aber wenn wir schon mal beim Thema sind: Antisemitismus gab es viel früher: Lesen sie ruhig mal die einschlägige Schrift von Martin Luther ober beschäftigen Sie sich, als ein Beispiel von vielen, mit der Darstellung der „Judensau“ an der Außenfassade des Regensburger Doms oder der Geschichte mittelalterlicher Pogrome. Nebenbei: Auch der Zionismus ist bei näherer Betrachtung nichts anderes als eine völkische Bewegung.
Vor einer Woche veröffentlichte die FAS die Ergebnisse einer FORSA-Umfrage unter der AfD-Anhängerschaft: Das Ergebnis: Überdurchschnittliche Bildung, überdurchschnittliches Einkommen, überdurchschnittliche Lebenserfahrung. Diese Attribuierung dürfte ziemlich deckungsgleich sein mit dem Profil ihrer langjährigen Abonnenten.
Herr Zastrow, wenn Sie etwas über die Basis der AfD erfahren wollen, dann stehe ich Ihnen bzw. Ihren Kollegen gerne als Gesprächspartner zur Verfügung. Zu meiner Person: Jahrgang 1950, Studium der Mathematik, Physik und Wirtschaftswissenschaften, Abschluss als Diplommathematiker, jahrzehntelange Berufspraxis und Führungserfahrung in internationalen Unternehmen der Informationsindustrie. AfD-Mitglied seit Juni 2013. Mit freundlichen Grüßen …
Wie mir mein Mail-Programm mitteilte, hat Volker Zastrow diese Botschaft erhalten und geöffnet. Eine Antwort steht bis heute aus. Zwei Tage später erschien sein Elaborat auch im Internet auf FAZ-Net:
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/afd-die-neue-voelkische-bewegung-13937439.html
Üblicherweise können Leser auf diesem Portal die jeweiligen Artikel kommentieren und bewerten. In diesem Fall war die Kommentarfunktion abgeschaltet, sonst hätte ich meinen Leserbrief auch dort platziert.
Die Junge Freiheit nahm sich in ihrer jüngsten Ausgabe dem Zastrowschen Erguss an: …Was der Leiter des Politikressorts, Volker Zastrow, in seinem Artikel „Die neue völkische Bewegung“ als Interpretation der Alternative für Deutschland (AfD) und ihrer „Herbstoffensive“ anbot, hätte man an dieser Stelle und aus dieser Feder kaum erwartet. Im Freitag von Jakob Augstein, in der Zeit von Giovanni di Lorenzo, in der Welt von Torsten Krauel, in der Süddeutschen von Heribert Prantl, in der taz, der Jungen Welt oder im Neuen Deutschland von irgendwem, selbstverständlich, aber doch nicht in einem auf Gediegenheit und Seriosität setzenden Organ wie der FAS. ( Der vollständige Text ist am Schluss dieses Blogs)
Nun, heute hatte ich die neueste Ausgabe der Frankfurter Sonntagszeitung in der Hand. In einem ganzseitigen Beitrag beschäftigt sich eine Journalistin namens Friederike Haupt mit dem Echo auf das Zastrowsche Pamphlet:
Ein Schönheitsfehler: Kein einziger Leserbrief an die FAS wurde zitiert! Dabei bin ich mir sicher: Die haben hunderte Zuschriften bekommen. Und der eine oder andere wird vermutlich genau so wie ich sein Abonnement spontan gekündigt haben. Auch der umfangreiche Kommentar in der JF wird mit keiner Silbe erwähnt. Statt dessen setzt uns die FAZ-Journalistin einfache Kost vor: Sorgfältig selektiv ausgewählte und gekürzte Facebook-Eintragungen, welche die Engstirnigkeit und Verbohrtheit der AfD-Anhänger belegen sollen. Platter geht’s nimmer. Einfache Gemüter gibt es in allen Parteien. Und erst recht in Redaktionsstuben. Warum haben die umständlich in Facebook herumgestöbert anstatt ganz einfach die Leserbriefe zu veröffentlichen? Nebenbei: Auch bei diesem FAS-Beitrag der Friederike Haupt ist die Kommentar-Funktion abgeschaltet.
Eine jahrzehntelange Freundschaft ist nun zu Ende. Siebenhundertsechzig Euro kostete mich bisher das Jahresabo von FAZ und FAS. Geld, das ich ab nächstem Jahr einer anderen, sinnvolleren Verwendung zuführen werden. Schmierenjournalismus will ich nicht weiter alimentieren.
Euer Bernd
PS: Das war nicht die erste Entgleisung des Volker Zastrow. Ich hatte ihn schon vor Monaten angeschrieben wegen eines Beitrages, der mich auf die Palme brachte : https://hansberndulrich.wordpress.com/2015/05/21/die-wut-der-friedenskinder/
Und hier der aktuelle Text aus der JF:
https://jungefreiheit.de/kultur/2015/auf-antifa-kurs-eingeschwenkt/
Auf Antifa-Kurs eingeschwenkt
Hysterischer Ton: Die „Frankfurter Allgemeine“ verunglimpft die AfD als „völkische Bewegung“
Von Karlheinz Weissmann
Zastrow blendet die Drangsalierungen von AfD-Mitgliedern und die Übergriffe von Seiten ihrer Feinde bewußt aus.
Das Grundgesetz spricht nicht etwa von einer beliebigen Bevölkerung, sondern vom Deutschen Volk
Große Überraschung bei der Lektüre der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung am vergangenen Wochenende. Was der Leiter des Politikressorts, Volker Zastrow, dort in seinem Artikel „Die neue völkische Bewegung“ als Interpretation der Alternative für Deutschland (AfD) und ihrer „Herbstoffensive“ anbot, hätte man an dieser Stelle und aus dieser Feder kaum erwartet. Im Freitag von Jakob Augstein, in der Zeit von Giovanni di Lorenzo, in der Welt von Torsten Krauel, in der Süddeutschen von Heribert Prantl, in der taz, der Jungen Welt oder im Neuen Deutschland von irgendwem, selbstverständlich, aber doch nicht in einem auf Gediegenheit und Seriosität setzenden Organ wie der FAS.
Tatsächlich ist das Blatt hier auf Antifa-Kurs eingeschwenkt, wobei man es mit sehr verspätetem Antifaschismus zu tun hat. Ohne erkennbare Hemmung wehrt Zastrow den Anfängen, warnt vor dem fruchtbaren Schoß und vor den als Biedermännern verkleideten Brandstiftern aus der extremistischen Mitte, vor Leuten, die sich nur aus Gründen der Tarnung scheuen, mit dem Hakenkreuz zu kommen. Der Schlüsselbegriff ist für ihn „Gewalt“: Die AfD könne ihren „Hunger“ oder ihre „Gier nach Gewalt“ nicht zügeln, ihr öffentliches Auftreten sei „gewaltgeladen“. Als Belege dienen Zastrow „aggressives Angehen, Bedrohen, Verfolgen, Geschimpfe und Geschrei“ bei Demonstrationen, wenn jemand als Gegner oder als Journalist der Mainstreammedien identifiziert wird. Vor allem aber geht es ihm um die „Atmosphäre“ in Veranstaltungen der Partei.
Nun ist „Atmosphäre“ ein ziemlich diffuser Begriff, und kein Youtube-Schnipsel, auf den Zastrow hinweist, rechtfertigt seine Behauptung, die AfD sei im Kern eine „Bürgerkriegspartei“. Verwerflich sind die bewußte Verzerrung der Dimensionen und die Weigerung, einen Blick auf den Zusammenhang von Ursache und Wirkung zu werfen. Selbst wenn man davon absieht, welchen Drangsalierungen die Mitglieder der AfD ausgesetzt sind, welche Beschimpfungen und Beleidigungen sie sich gefallen lassen müssen, welche Behinderungen bei ihrer politischen Arbeit und welche Übergriffe von seiten ihrer Feinde, müßte man doch zweierlei in Rechnung stellen: daß in jedem anderen Land der westlichen Welt der Tonfall äußerster Schärfe im Kampf gegen die „demokratischen Politiker“ – Zastrow meint die etablierten – zu den Selbstverständlichkeiten gehört, während bei uns das Establishment sofort „Volksverhetzung“ ruft und die Justiz in Marsch setzt. Und zweitens, daß die Linke in all ihren Facetten nicht nur regelmäßig mit den Symbolen der schlimmsten Mordregime des 20. Jahrhunderts paradiert, sondern bei ihren destruktiven Forderungen auch noch des Beifalls der „Halbverrückten“ (Stefan Dietrich, ein ehemaliger Kollege Zastrows) in den Parteibüros, Redaktionen, Fernsehstudios und liberalen Salons sicher sein kann.
Wenn Zastrow das alles bewußt ausblendet, dann aus einem Grund. Er will unbedingt seine Hauptthese an den Mann bringen: daß sich mit der AfD und Pegida, mit jedem, der auf der Straße „Wir sind das Volk!“ ruft und die Abschaffung Deutschlands drohen sieht, eine „völkische Bewegung“ in Marsch setzt, die wie ihre Vorläufer zusammengehalten wird vom Haß, damals auf die Juden, heute auf die Muslime, damals mit Auschwitz als Konsequenz, heute mit Lagern für „Gutmenschen“.
Es lohnt sich eigentlich nicht, diese radauhistorische Betrachtungsweise einer genaueren Analyse zu unterwerfen. Aber soviel sei doch gesagt: die „Völkische Bewegung“ war ihrem Ursprung nach nichts anderes als die „Deutsche“ oder „Nationalbewegung“, das Wort „Volk“ nichts anderes als ein seit der Romantik bevorzugtes Ersatzwort für „Nation“, allerdings bei deutlicher Aufwertung derjenigen, die das Volk in seiner Breite ausmachen. Insofern hatte die Bezugnahme auf das Volk immer auch eine Spitze gegen die herrschenden Eliten, weshalb es die Kräfte des Fortschritts waren, die ausdrücklich „Volkspolitik“ treiben wollten.
Eine Verengung des Begriffes kam erst am Ende des 19. Jahrhunderts auf, durch die Annäherung an Rassenlehre und Sozialdarwinismus. Die Bemühungen, eine „positive“ von einer „negativen“ Völkischen Bewegung zu trennen, scheiterten aber nicht aufgrund der diesem Ansatz innewohnenden Vernichtungstendenz, sondern aufgrund der politischen Extremlage in der Weimarer Republik und der Absorptionskraft des Nationalsozialismus.
Davon abgesehen benutzten nicht nur Gruppen des Widerstands, sondern auch Politiker der Nachkriegszeit ganz selbstverständlich Begriffe wie „völkisch“ oder „Volksgemeinschaft“, nicht zu vergessen, daß das Grundgesetz nicht etwa von einer beliebig zusammengewürfelten Bevölkerung spricht, sondern – wie es das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festhält – von der „Einheit des deutschen Volkes als des Trägers des völkerrechtlichen Selbstbestimmungsrechts“, dessen „Identität“ unbedingt und auf Dauer zu erhalten sei.
Es steht nicht zu erwarten, daß Zastrow sich von dieser Argumentation beeindrucken läßt. Er und wohl auch die übrigen klugen Köpfe in der Hellerhofstraße haben nach dem AfD-Parteitag im Sommer ihre Entscheidung gefällt, wie die Frankfurter Allgemeine mit der Partei weiter verfahren will. Solange es sich um eine in erster Linie wirtschaftsfreundliche, aber eurokritische, gutbürgerliche, von Professoren geführte Kleinpartei handelte, die irgendwann als Juniorpartner der Union in Frage kommen und die lebensmüde FDP beerben würde, gab es im Politikteil der FAZ verschämtes und im Wirtschaftsressort offenes Wohlwollen, während dem Feuilleton der Part des Mißvergnügens blieb.
Dann mußte Bernd Lucke gehen, was prompt so gedeutet wurde, daß die Alternative schon keine mehr sei. Sie werde, lauteten die warnenden oder schadenfrohen Kommentare, den Weg aller Rechtsparteien gehen, die in der Nachkriegszeit an sich selbst scheiterten. Die neue Vorsitzende Frauke Petry war kaum mehr eine Erwähnung wert, bestenfalls Mitglieder- und Wählerschwund und wirkliche oder vermeintliche Querelen spielten eine Rolle.
Schließlich kamen die Flüchtlingskrise und der politische Offenbarungseid der Regierung. Beides führte zu erkennbaren Irritationen in einem unionsnahen Organ wie der FAZ. Es gab Kritik an den immer absurder werdenden Abläufen in Berlin, aber die blieb zahm und trat schließlich ganz in den Hintergrund, um nun den Kampf gegen Rechts aufzunehmen.
Dahinter kann rationales Kalkül stecken, vor allem gespeist aus den Erfahrungen mit der Trägheit des politischen Systems der Bundesrepublik. Aber mancher dort in Frankfurt am Main mag fürchten, daß auf diese Gesetzmäßigkeit kein Verlaß mehr ist. Wahrscheinlich gehört Zastrow zu ihnen, was immerhin den hysterischen Ton seines Artikels erklären würde.
Junge Freiheit vom 4.12.2015