Die braune Brühe des Volker Zastrow

Geistiger Dünnschiss – eine derbe, aber nicht unübliche süddeutsche Formulierung für schwachsinniges Zeug, das jemand von sich gibt. Auch der bayerische Kraftausdruck: Dem haben sie ins Gehirn gesch….n! gehört zur gleichen Kategorie. Geht das eine doch mit dem anderen Hand in Hand.

Nein, üblicherweise findet eine derartige Fäkalspräche keine Verwendung in meinem Vokabular. Die Leser meines Blogs mögen das bestätigen. Indessen, als ich vor einigen Tagen ein übles Traktat des FAZ-Journalisten Volker Zastrow in meiner bis dato geliebten Sonntagszeitung verdauen mußte, da ergaben sich diese Assoziationen ganz von selbst. Rührte der Autor da doch ganz kräftig in brauner Brühe. Und sudelt dann herum.

Noch am gleichen Vormittag verfasste ich einen Leserbrief, der gleichzeitig als persönliche Botschaft an Volker Zastrow adressiert war:

Sehr verehrter Herr Zastrow,

   ich bin so frei, Sie heute persönlich anzuschreiben. Ich nehme mir das Recht als FAZ-Abonnent, der Ihrem Blatt seit über vierzig Jahren die Treue gehalten hat. Auch die FAS habe ich vom ersten Ausgabetag an bezogen.

Üblicherweise gehört es zu meinem sonntäglichen Vergnügen, als erstes die FAS aus dem Briefkasten zu holen und aufzublättern. Heute hingegen hielt sich das Vergnügen in Grenzen. Genauer gesagt: Die Lektüre ihres Artikels hat mir gründlich den Frühstücksappetit verdorben. Und mir ist auch jetzt noch übel.

Denn was Sie heute in Ihrem Artikel  über die AfD behaupten, geht an die Grenzen journalistischer Meinungsfreiheit. Nichts als Falschbehauptungen, Schmähungen und Unterstellungen.  Die behauptete Nähe zum NS-Gedankengut ist ein Schlag unter die Gürtellinie und obendrein eine ganz üble Beleidigung.  Gewalt? Waren Sie mal auf einer AfD-Veranstaltung? Gewalt geht ausschließlich von den Gegendemonstranten aus.  Lesen Sie ruhig mal  die entsprechenden Polizeiberichte. Völkisches Gedankengut? Den Beweis bleiben Sie schuldig, statt dessen Mutmaßungen. Und wenn Sie mal die Meinungsäußerungen eines einzelnen Wachmanns als stellvertretend für die AfD bezeichnen: Mit dem gleichen Recht könnte man von der Geisteshaltung der  Hooligans auf die Gesamtheit aller  Fußballfans schließen.

Nein, Herr Zastrow. Dieses Elaborat ist kein Ruhmesblatt. Es ist unter Ihrem Niveau und beleidigt den Intellekt ihrer Leserschaft. Bleiben wir ruhig  mal bei dem „Völkischen Gedankengut“: Es ist allgemein bekannt, daß das Entstehen des Nationalismus in Europa (und nicht nur in Deutschland!) als Folge der Befreiungskriege auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zu verorten ist und nicht in der zweiten.  „Die schwarze Milch des Antisemitismus“ als Folge völkischer Gedanken? Das klingt zwar schön nach Paul Celan, ist indessen schlichtweg Blödsinn und hat obendrein nichts, aber auch gar nichts mit der AfD zu tun. Aber wenn wir schon mal beim Thema sind: Antisemitismus gab es viel früher: Lesen sie ruhig mal die einschlägige Schrift von Martin Luther ober beschäftigen Sie sich, als ein Beispiel von vielen, mit der Darstellung der „Judensau“ an der Außenfassade des Regensburger Doms oder der Geschichte mittelalterlicher Pogrome. Nebenbei: Auch der Zionismus ist bei näherer Betrachtung nichts anderes als eine völkische Bewegung.

Vor einer Woche veröffentlichte die FAS die Ergebnisse einer FORSA-Umfrage unter der AfD-Anhängerschaft: Das Ergebnis: Überdurchschnittliche Bildung, überdurchschnittliches Einkommen, überdurchschnittliche Lebenserfahrung. Diese Attribuierung dürfte ziemlich deckungsgleich sein mit dem Profil ihrer langjährigen Abonnenten.

Herr Zastrow, wenn Sie etwas über die Basis der AfD erfahren wollen, dann stehe ich Ihnen bzw. Ihren Kollegen gerne als Gesprächspartner zur Verfügung.  Zu meiner Person: Jahrgang 1950, Studium der Mathematik, Physik und Wirtschaftswissenschaften, Abschluss als Diplommathematiker, jahrzehntelange Berufspraxis und Führungserfahrung in internationalen Unternehmen der Informationsindustrie. AfD-Mitglied seit Juni 2013.   Mit freundlichen Grüßen …

Wie mir mein Mail-Programm mitteilte, hat Volker Zastrow diese Botschaft erhalten und geöffnet. Eine Antwort steht bis heute aus. Zwei Tage später erschien sein Elaborat auch im Internet auf FAZ-Net:

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/afd-die-neue-voelkische-bewegung-13937439.html

Üblicherweise können Leser auf diesem Portal die jeweiligen Artikel kommentieren und bewerten. In diesem Fall war die Kommentarfunktion abgeschaltet, sonst hätte ich meinen Leserbrief auch dort platziert.

Die Junge Freiheit nahm sich in ihrer jüngsten Ausgabe dem  Zastrowschen Erguss an:  …Was der Leiter des Politikressorts, Volker  Zastrow,  in seinem Artikel „Die  neue völkische Bewegung“ als Interpretation  der Alternative für Deutschland  (AfD) und ihrer „Herbstoffensive“ anbot,  hätte man an dieser Stelle und aus  dieser Feder kaum erwartet. Im Freitag  von Jakob Augstein, in der Zeit von Giovanni  di Lorenzo, in der Welt von Torsten  Krauel, in der Süddeutschen  von Heribert Prantl, in der  taz, der Jungen Welt oder im  Neuen Deutschland von irgendwem,  selbstverständlich,  aber doch nicht in einem  auf Gediegenheit und  Seriosität setzenden Organ  wie der FAS. ( Der vollständige Text ist am Schluss dieses Blogs)

Nun, heute hatte ich die neueste Ausgabe der Frankfurter Sonntagszeitung in der Hand. In einem ganzseitigen Beitrag beschäftigt sich eine Journalistin namens Friederike Haupt  mit dem Echo auf das Zastrowsche Pamphlet:

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/rechtsextremismus/alternative-fuer-deutschland-die-voelkische-bewegung-stellt-sich-vor-13950691.html

Ein Schönheitsfehler: Kein einziger Leserbrief an die FAS wurde zitiert! Dabei  bin ich mir sicher: Die haben hunderte Zuschriften bekommen. Und der eine oder andere wird vermutlich genau so wie ich sein Abonnement spontan gekündigt haben.  Auch der umfangreiche Kommentar in der JF wird mit keiner Silbe erwähnt. Statt dessen setzt uns die FAZ-Journalistin einfache Kost vor: Sorgfältig selektiv ausgewählte und gekürzte Facebook-Eintragungen, welche die Engstirnigkeit und Verbohrtheit der AfD-Anhänger belegen sollen. Platter geht’s nimmer. Einfache Gemüter gibt es in allen Parteien. Und erst recht  in Redaktionsstuben. Warum haben die umständlich in Facebook herumgestöbert anstatt ganz einfach die Leserbriefe zu veröffentlichen? Nebenbei: Auch bei diesem FAS-Beitrag der Friederike Haupt ist die Kommentar-Funktion abgeschaltet.

Eine jahrzehntelange Freundschaft ist nun zu Ende. Siebenhundertsechzig Euro kostete mich bisher das Jahresabo von FAZ und FAS. Geld, das ich ab nächstem Jahr einer anderen, sinnvolleren Verwendung zuführen werden. Schmierenjournalismus will ich nicht weiter alimentieren.

Euer Bernd

PS: Das war nicht die erste Entgleisung des Volker Zastrow. Ich hatte ihn schon vor Monaten angeschrieben wegen eines Beitrages, der mich auf die Palme brachte : https://hansberndulrich.wordpress.com/2015/05/21/die-wut-der-friedenskinder/

Und hier der aktuelle Text aus der JF:

https://jungefreiheit.de/kultur/2015/auf-antifa-kurs-eingeschwenkt/

Auf Antifa-Kurs eingeschwenkt

Hysterischer Ton: Die „Frankfurter Allgemeine“ verunglimpft die AfD als „völkische Bewegung“

Von Karlheinz Weissmann

Zastrow blendet  die Drangsalierungen  von AfD-Mitgliedern  und  die Übergriffe  von  Seiten ihrer Feinde bewußt aus.

Das Grundgesetz spricht nicht etwa von einer beliebigen Bevölkerung, sondern vom Deutschen Volk

Große Überraschung bei der  Lektüre der Frankfurter Allgemeinen  Sonntagszeitung am  vergangenen Wochenende.  Was der Leiter des Politikressorts, Volker  Zastrow, dort in seinem Artikel „Die  neue völkische Bewegung“ als Interpretation  der Alternative für Deutschland  (AfD) und ihrer „Herbstoffensive“ anbot,  hätte man an dieser Stelle und aus  dieser Feder kaum erwartet. Im Freitag  von Jakob Augstein, in der Zeit von Giovanni  di Lorenzo, in der Welt von Torsten  Krauel, in der Süddeutschen  von Heribert Prantl, in der  taz, der Jungen Welt oder im  Neuen Deutschland von irgendwem,  selbstverständlich,  aber doch nicht in einem  auf Gediegenheit und  Seriosität setzenden Organ  wie der FAS.

  Tatsächlich ist das Blatt  hier auf Antifa-Kurs eingeschwenkt,  wobei man es  mit sehr verspätetem Antifaschismus  zu tun hat. Ohne  erkennbare Hemmung  wehrt Zastrow den Anfängen, warnt vor  dem fruchtbaren Schoß und vor den als  Biedermännern verkleideten Brandstiftern  aus der extremistischen Mitte, vor  Leuten, die sich nur aus Gründen der  Tarnung scheuen, mit dem Hakenkreuz  zu kommen. Der Schlüsselbegriff ist für ihn „Gewalt“: Die AfD könne  ihren „Hunger“ oder ihre „Gier nach  Gewalt“ nicht zügeln, ihr öffentliches  Auftreten sei „gewaltgeladen“. Als Belege  dienen Zastrow „aggressives Angehen,  Bedrohen, Verfolgen, Geschimpfe und  Geschrei“ bei Demonstrationen, wenn  jemand als Gegner oder als Journalist der  Mainstreammedien identifiziert wird.  Vor allem aber geht es ihm um die „Atmosphäre“  in Veranstaltungen der Partei.

 Nun ist „Atmosphäre“ ein ziemlich  diffuser Begriff, und kein Youtube-Schnipsel, auf den Zastrow hinweist,  rechtfertigt seine Behauptung, die AfD  sei im Kern eine „Bürgerkriegspartei“.  Verwerflich sind die bewußte Verzerrung der Dimensionen und die Weigerung, einen Blick auf den Zusammenhang von Ursache und Wirkung zu werfen.  Selbst wenn man davon absieht, welchen  Drangsalierungen die Mitglieder der AfD  ausgesetzt sind, welche Beschimpfungen  und Beleidigungen sie sich gefallen lassen  müssen, welche Behinderungen bei ihrer  politischen Arbeit und welche Übergriffe  von seiten ihrer Feinde, müßte man doch  zweierlei in Rechnung stellen: daß in jedem  anderen Land der westlichen Welt  der Tonfall äußerster Schärfe  im Kampf gegen die „demokratischen  Politiker“ – Zastrow  meint die etablierten  – zu den Selbstverständlichkeiten  gehört, während bei  uns das Establishment sofort  „Volksverhetzung“ ruft und  die Justiz in Marsch setzt.  Und zweitens, daß die  Linke in all ihren Facetten  nicht nur regelmäßig  mit den Symbolen der  schlimmsten Mordregime  des 20. Jahrhunderts paradiert,  sondern bei ihren destruktiven  Forderungen auch noch des Beifalls der  „Halbverrückten“ (Stefan Dietrich, ein  ehemaliger Kollege Zastrows) in den Parteibüros,  Redaktionen, Fernsehstudios  und liberalen Salons sicher sein kann.

 Wenn Zastrow das alles bewußt ausblendet,  dann aus einem Grund. Er will  unbedingt seine Hauptthese an den  Mann bringen: daß sich mit der AfD  und Pegida, mit jedem, der auf der Straße  „Wir sind das Volk!“ ruft und die Abschaffung Deutschlands drohen sieht,  eine „völkische Bewegung“ in Marsch  setzt, die wie ihre Vorläufer zusammengehalten  wird vom Haß, damals auf die  Juden, heute auf die Muslime, damals  mit Auschwitz als Konsequenz, heute  mit Lagern für „Gutmenschen“.

 Es lohnt sich eigentlich nicht, diese  radauhistorische Betrachtungsweise einer  genaueren Analyse zu unterwerfen.  Aber soviel sei doch gesagt: die „Völkische  Bewegung“ war ihrem Ursprung  nach nichts anderes als die „Deutsche“  oder „Nationalbewegung“, das Wort  „Volk“ nichts anderes als ein seit der  Romantik bevorzugtes Ersatzwort für  „Nation“, allerdings bei deutlicher Aufwertung  derjenigen, die das Volk in seiner  Breite ausmachen. Insofern hatte die  Bezugnahme auf das Volk immer auch  eine Spitze gegen die herrschenden Eliten,  weshalb es die Kräfte des Fortschritts  waren, die ausdrücklich „Volkspolitik“  treiben wollten.

 Eine Verengung des Begriffes kam erst am Ende des  19. Jahrhunderts auf, durch  die Annäherung an Rassenlehre  und Sozialdarwinismus.  Die Bemühungen,  eine „positive“ von einer  „negativen“ Völkischen Bewegung  zu trennen, scheiterten  aber nicht aufgrund  der diesem Ansatz innewohnenden  Vernichtungstendenz,  sondern aufgrund  der politischen Extremlage  in der Weimarer Republik  und der Absorptionskraft des Nationalsozialismus.

   Davon abgesehen benutzten nicht nur  Gruppen des Widerstands, sondern auch  Politiker der Nachkriegszeit ganz selbstverständlich  Begriffe wie „völkisch“ oder  „Volksgemeinschaft“, nicht zu vergessen,  daß das Grundgesetz nicht etwa von einer  beliebig zusammengewürfelten Bevölkerung  spricht, sondern – wie es das  Bundesverfassungsgericht ausdrücklich  festhält – von der „Einheit des deutschen  Volkes als des Trägers des völkerrechtlichen  Selbstbestimmungsrechts“, dessen  „Identität“ unbedingt und auf Dauer zu  erhalten sei.

 Es steht nicht zu erwarten, daß Zastrow  sich von dieser Argumentation beeindrucken  läßt. Er und wohl auch die  übrigen klugen Köpfe in der Hellerhofstraße  haben nach dem AfD-Parteitag im  Sommer ihre Entscheidung gefällt, wie  die Frankfurter Allgemeine mit der Partei  weiter verfahren will. Solange es sich um  eine in erster Linie wirtschaftsfreundliche,  aber eurokritische, gutbürgerliche,  von Professoren geführte Kleinpartei  handelte, die irgendwann als Juniorpartner  der Union in Frage kommen und die  lebensmüde FDP beerben würde, gab es  im Politikteil der FAZ verschämtes und  im Wirtschaftsressort offenes Wohlwollen,  während dem Feuilleton der Part des  Mißvergnügens blieb.

 Dann mußte Bernd Lucke gehen, was  prompt so gedeutet wurde, daß die Alternative  schon keine mehr  sei. Sie werde, lauteten die  warnenden oder schadenfrohen  Kommentare, den Weg  aller Rechtsparteien gehen,  die in der Nachkriegszeit an  sich selbst scheiterten. Die  neue Vorsitzende Frauke  Petry war kaum mehr eine  Erwähnung wert, bestenfalls  Mitglieder- und Wählerschwund  und wirkliche  oder vermeintliche Querelen  spielten eine Rolle.

   Schließlich kamen die  Flüchtlingskrise und der politische Offenbarungseid  der Regierung. Beides  führte zu erkennbaren Irritationen in  einem unionsnahen Organ wie der FAZ.  Es gab Kritik an den immer absurder  werdenden Abläufen in Berlin, aber die  blieb zahm und trat schließlich ganz in  den Hintergrund, um nun den Kampf  gegen Rechts aufzunehmen.

 Dahinter kann rationales Kalkül stecken,  vor allem gespeist aus den Erfahrungen  mit der Trägheit des politischen  Systems der Bundesrepublik. Aber mancher  dort in Frankfurt am Main mag  fürchten, daß auf diese Gesetzmäßigkeit  kein Verlaß mehr ist. Wahrscheinlich gehört  Zastrow zu ihnen, was immerhin  den hysterischen Ton seines Artikels erklären  würde.

JFreiheit

Junge Freiheit vom 4.12.2015