Ich will meine Neger behalten!

Jim Knopf: kein Negerkind mehr

Jim Knopf: kein Negerkind mehr

Die politischen Tugendwächter haben neue Schlachtfelder entdeckt:  Kinderbücher, Kinderlieder, Bäckereiauslagen! Jim Knopf: Ab sofort kein Negerkind mehr. Die zehn kleinen Negerlein: Geächtet wie die erste Strophe des Deutschlandliedes. Negerküsse: Nur noch als Schokoladenschaumküsse genießbar.Die Begründung: Die Bezeichnung als Neger sei diskriminierend für die als solche adressierten und daher aus dem Sprach- und Schriftgebrauch zu verbannen.  Die deutsche Vokabel „Neger“ klänge so wie das englische Schimpfwort Nigger.

Was ist daran in dieser Unterstellung? Oder äffen wir wieder einfach  wieder mal einen Unsinn nach, der  da von großem Teich rüberkommt? Begeben wir uns auf die Spurensuche.

Um das Ergebnis vorwegzunehmen:

Der Neger als Vokabel war zu keinem Zeitpunkt negativ belegt. Die Lexika früherer Jahre weisen ihn aus als eine Wortschöpfung, die aus dem französischen zu uns kam und seit dem 18. Jahrhundert bei uns gebräuchlich ist. Noch der Duden von 1980 erwähnt das Substantiv „Neger“ ohne irgendeinen Hinweis auf Abwertung. Erst in der Auflage von 2000 steht in Klammern der Zusatz: (wird als diskriminierend empfunden). Woher dieses Empfinden kam: Vermutlich, wie oben erwähnt, aus den USA, wo der Nigger von jeher ein Schimpfwort war.

Von unserem Neger kann man das beim besten Willen nicht behaupten. Und der Nigger hat nie Eingang gefunden in unseren Sprachgebrauch.  Oder hat sich etwa in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts der Neger bei uns als Schimpfwort eingebürgert? Dann muß etwas an mir vorbei gegangen sein. Denn viele unserer früheren Idole waren dunkelhäutig: Roberto Blanco, Muhammad Ali, Carl Lewis, Nelson Mandela, um nur einige zu nennen.

Mein Schulbuch für den Erdkundeunterricht, der Seydlitz, spricht noch in den 60-Jahren ganz unbefangen von Negern. Und der Große Brockhaus (17. Ausgabe, 1971) belehrt uns wie folgt:

Neger [17. Jahrh. aus frz., lat. niger >schwarz<], 1) im gewöhnl. Sprachgebrauch die dunkelhäutigen, kraushaarigen Bewohner Afrikas südlich der Sahara (->Negride, ->Afrika, Bevölkerung), ferner die Nach­kommen der seit dem 16. Jahrh. durch Sklavenhandel nach Amerika gekommenen N.

Die afrikan. Neger weisen sprachlich und kulturell große Unterschiede auf (—»Afrikanische Kulturen, —Afrikanische Kunst, —»Afrikanische Literaturen,—»Afrikanische Musik, —»Afrikanischer Tanz, -»Afri­kanische Sprachen,-»Neo-afrikanische Literatur).

In Lateinamerika und Westindien haben sich Reste afrikan. Kulturen und Sprachen noch stärker erhalten als unter den N. der Verein. Staaten, die weitgehend akkulturiert sind.

Ausgehend vom —»-Panafrikanismus, erwacht, zu­nehmend seit etwa dem Ende des zweiten Weltkriegs, das Selbstbewußtsein der N., wie es bes. in den Begrif­fen >Neger-Renaissance<, -> Négritude, >African Per­sonalitys >Black is beautiful< und >Black Power< zum Ausdruck kommt. Es läßt heute viele N. Afrikas und Amerikas stolz sein auf ihr Neger-Sein und auf ihre schwarze Hautfarbe und fördert die Beschäftigung mit der afrikan. Vergangenheit und Kultur. In diesem Sinne fanden 1966 die ersten Internat. Festspiele für afrikan. Kunst in Dakar (Senegal) statt. Seit dem 1. Internat. Afrikanisten-Kongreß (Accra 1962) ist eine bes. von N. geplante Afrikan. Enzyklopädie in Arbeit.

A. Ramos: Die N.-Kulturen in der Neuen Welt (a. d. Portugies., Einsiedeln 1946); J. Jahn: Wir nannten sie Wilde (1964); Die Welt ist nicht länger weiß, hg. v. Ch.Nichols u. F. An­sprenger, 2 Bde. (1965); Angelina Pollak-Eltz: Afrikan. Relikte in der Volkskultur Venezuelas (1966); dies, in: Die Umschau, 67 (1967); M. N.Work: Bibliography of the Negro in Africa and America (New York 1966); B. Davidson: Afrikan. Königreiche (a. d. Amerikan., 1967).

2)    bei Film- oder Fernsehaufnahmen die schwarzen Sonnenschirme oder Stellwände zum Abschirmen des einfallenden Lichts.

3)    ein anonymer Autor (-»Ghost writer).

Negerfrage, das Problem der Negeremanzipation in von Weißen beherrschten Staaten (—» Rassenfrage).

Negerhirse, Perlhirse, Getreidegras, ->Hirse.

Negerküsse, eine weiche, gesüßte Schaummasse, auf Waffelunterlage mit Schokoladenüberzug.

Negermusik,-»Afrikanische Musik,->Jazz,-»Latein­amerikanische Musik, —»Negro Spiritual, -> Nordame­rikanische Musik.

Negertanz, -»Afrikanischer Tanz, -»Lateinameri­kanischer Tanz, -> Nordamerikanischer Tanz.

Klingt alles nicht diskriminierend. Insbesondere der „Stolz auf ihr Neger-Sein“. Schauen wir mal im Brockhaus von 1983 (Kompaktausgabe) nach. Da gibt es eine Ergänzung:

 Mit dem —» Panafrikanismus artikulierte sich im 20. Jh. zum ersten Mal das Selbstbewusstsein der N. Es äußerte sich politisch – bes. nach dem 2. Weltkrieg-in der For­derung schwarzafrikan. Völker nach Selbstregierung und staatl. Unabhängigkeit (—»Entkolonialisierung —»Afri­ka, Geschichte) oder in dem Streben nordamerikan. Neger nach Gleichberechtigung mit der weißen Mehr­heitsbevölkerung (—>Rassenfrage; —>Black Power). Kulturelles Eigenbewusstsein zeigte sich in sehr unter­schiedl. Form: in der —»Négritude, im Suchen nach >afrikan. Authentizität (in Afrika: Rückbesinnung auf vorkoloniale Traditionen, z. B. in der Namengebung) oder in der Hinwendung zum Islam. Letzteres trägt oft einen antichristl. Akzent (bes. in Nordamerika, z. B. —» Black Muslims). In der Rückbesinnung auf afrikan. Geschichte und Kultur werden u. a. Internat. Afrikanisten-Kongresse veranstaltet (erstmals 1962 in Accra).

Auch unverdächtig. Aber was hat es mit der Négritude  auf sich?  Der Brockhaus klärt auf:

Négritude [negrit’yd, frz.], von Aimé Césaire 1934 geprägter Begriff für die Rückbesinnung der Afrikaner und Afroamerikaner auf afrikan. Kulturtraditionen. Die Dichtung der N. hatte 1939-48 mit L.-G. Damas. A. Césaire, A. Diop und L. S. Senghor ihre schöpferische Periode. Ihre Forderungen, Aufwertung der afrikan. Traditionen, Rückkehr zu den Quellen und Kampf gegen den Kolonialismus, gaben der afrikan. Literatur frz. Sprache starke Impulse. Senghor baute die N. zu einer philosoph. und polit. Ideologie aus, wobei er N. mit Afrikanität gleichsetzte und darunter einen erweiterten, nicht mehr auf Europa ausgerichteten Humanismus verstand.

Beim besten Willen, ich lese daraus nur positive Assoziationen.

Neger-Grab

Neger-Grab

 Szenenwechsel: Haben wir schon vergessen, daß es zu gleicher Zeit hierzulande einen sehr populären (hellhäutigen) Dachdecker und Karnevalssänger Ernst Neger gab? Wollen wir jetzt seinen Grabstein neu gravieren?Wir können diese Reihe beliebig fortsetzen. Die Porta Nigra in Trier, der Staat Nigeria, der große afrikanische Fluß Niger, der Rio Negro in Brasilien, das Hotel Negresco in Nizza, alles Kandidaten für neue Namensgebungen?

Südlich der Alpen, ebenfalls noch deutschsprachig, geht man etwas gelassener mit diesem Spuk  um: Gibt es doch inmitten der malerischen Dolomiten die →Negerhütte:

Negerhütte in Südtirol

Negerhütte in Südtirol

 Und das tollste: Die Hausspezialität dort ist die Negermilch, ein alkoholhaltiges Kakaogetränk.

Aus der Speisekarte

Aus der Speisekarte

Aber in dem von der Political Correctness verordneten  Bann des Negers steckt in Wahrheit eine doppelte Diffamierung: Nämlich die Unterstellung, daß wir hierzulande vor zwanzig Jahren angefangen hätten Neger als abwertendes Substantiv zu gebrauchen. Und daß wir damit jene Träger schwarzer Hautfarbe tatsächlich diffamiert hätten. Beides ist nicht nur absurd. Es ist  horrender Blödsinn. In Wirklichkeit diffamieren wir uns selbst mit dieser Unterstellung.

Und ganz im Ernst: Die moderne Anthropologie lehrt uns, daß auch wir Bleichgesichter allesamt von afrikanischen Urmüttern abstammen. Denn wie wir heute wissen, begann  vor ca. 200.000 Jahren der Exodus der modernen →Homo Sapiens aus dem afrikanischen Hochland in alle Erdteile dieser Welt. Die Wiege der Menschheit stand somit in Afrika, unsere Vorfahren waren dunkelhäutig. Und damit stammen wir alle, Eskimos, Indianer, Chinesen, Polynesier und bleichgesichtige Langnasen von Negern ab. Unsere weiße Hautfarbe ist nichts weiter als eine evolutionäre Anpassung an unsere  kältere und sonnenärmere neue Wahlheimat. Kein Grund für Überheblichkeit oder Diffamierung. 

Liebe Neger! Diese originelle Begrüßungsformel wird dem zweiten Präsidenten unserer damals noch jungen Bundesrepublik, →Heinrich Lübke, zugeschrieben. Das ist in der Tat  veraltet.  Heute müsste er formulieren: Liebe Negerinnen und Neger! 

 Lassen wir es dabei bewenden.

      Euer Bernd

Ergänzung am 21.1. 2014:

Am 9.1.2014 berichtete die FAZ unter der Rubrik Streifzüge und der Überschrift Rucki zucki, humbta täterä von den Nöten eines →Negers wie folgt:

Der Neger ist in Mainz eine Legende. Noch Jahrzehnte nach dem Krieg rührte der Dachdeckermeister Ernst Neger die Menschen zu Tränen, wenn er zur Fastnachtszeit das Kinderlied „Heile, heile Gänsje“ anstimmte, das 1952 mit zwei Strophen über das kriegsversehrte Mainz ergänzt worden war. Auch als Interpret von „Humbta täterä“ und „Rucki zucki“ bleibt Ernst Neger (1909-1989) den Mainzern unvergessen.

Negers_LogoZur Fastnacht 2014 ist es das Logo seines Unternehmens, das für Aufsehen sorgt. Als der singende Handwerker die GmbH für Bedachungsarbeiten von seinem Vater Karl-Josef Neger übernahm, gab er der Firma ein unverwechselbares Logo: eine stilisierte Darstellung eines volllippigen, Hammer schwingenden schwarzen Menschen mit dicken, runden Ohrringen.

In Zeiten, in denen es nur noch Schokoküsse gibt und der Sarotti-Mohr sich in einen Magier verwandeln musste, weckt das Argwohn. Der Enkel von Ernst, Thomas Neger, der die Dachdeckertradition zusammen mit seinem Bruder in vierter Generation weiterführt, erhält immer wieder E-Mails von aufgebrachten Bürgern. Manchmal werden gar Negers Schilder an Baustellen überklebt. Damit muss der Enkel wohl leben. Der Großvater rät im emotionalsten seiner Fastnachtshits: „Und trag’, was du zu tragen hast, geduldig  mit Humor.“  Doch Thomas Neger ist das Lachen vergangen. Er wird zurzeit mit Presseanfragen zu dem Logo überhäuft und will keine Auskünfte mehr geben. Gegen Jahresende ließ er die Mainzer „Allgemeine Zeitung“ wissen, dass er das Logo nicht ändern werde, solange sich kein dunkel- häutiger Mensch bei ihm beklage.

Vielleicht hofft Thomas Neger, dass sich die Aufregung bald wieder legt. „Heile, heile Mausespeck, in hundert Jahr ist alles weg“, sang einst der Großvater. Und überhaupt, was soll man dagegen tun, wenn man nun mal so heißt? Katharina Binz, kulturpolitische Sprecherin der Grünen-Stadtratsfraktion, gibt zu bedenken: „Der Name hat nichts mit schwarzen Menschen zu tun. Deshalb verstehe ich persönlich nicht, wieso eine Firma ein solches Logo verwendet.“ Sie könne es nachvollziehen, dass sich Menschen gestört fühlen. Allerdings habe der Stadtrat keinen Einfluss darauf, wie ein Privatunternehmen sein Logo gestaltet. Auch für Hannsgeorg Schönig, Vorsitzender der CDU-Fraktion, ist die ganze Sache keine Angelegenheit des Stadtrats, sondern ausschließlich eine der Firma Neger. In Mainz diskutiere ohnehin niemand darüber. Zudem sieht er im Logo keine Diskriminierung, sondern „eine bildliche Umsetzung des Namens Neger mit allen künstlerischen Freiheiten“.

—- Ende des Textes aus der FAZ —-

Anmerkung: Die grüne angehende Akademikerin Katharina Binz ( seit 2003 Studium der Geschichte, Philosophie und Politikwissenschaft ) sowie der Handwerker Thomas Neger (CDU)  sind beide Abgeordnete im Rat der Stadt Mainz

Nachtrag am 6.10.2014:

Anlässlich des 50. Jubiläums des Besuchs von Martin Luther King in Ostberlin wurde die seinerzeitige Kommentierung des „Neuen Deutschland“ vom 14.9.1964 erinnert. Zitat:  Die amerikanische Negerbevölkerung wird ihren Kampf um völlige Gleichberechtigung unbeirrt fortsetzen, erklärte der bekannte Negergeistliche Dr. Martin Luther King am Sonntagabend in einer Predigt in der DDR-Hauptstadt. Dr. King, der bei einem ökumenischer Gottesdienst in der Marienkirche sprach, forderte die Überwindung „der Slums, des Polizeiterrors und der Ausbeutung auf den Plantagen der amerikanischen Südstaaten“ … Quelle: https://www.nd-archiv.de/ausgabe/1964-09-14

Nachtrag am 18.Februar 2015:

Nach der Karnevalssession wird’s wieder ernst. Nein, nicht Ernst Neger. Es geht wieder mal um Thomas.  Selbsternannte Rassismuswächter  haben in Mainz Plakate geklebt. Anonym natürlich, kein Hinweis auf die Urheberschaft. Hier die Fortsetzungsgeschichte:

http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/mainz-wie-es-ringt-und-lacht-ist-das-firmenlogo-von-thomas-neger-rassistisch/11367512.html

Unterste Schublade

Unterste Schublade

Ist das nicht grotesk? Da wird jemand allen Ernstes des Rassismus bezichtigt, dessen Familienname ganz einfach  „Neger“ lautet. Vermutlich wäre es den Fanatikern am liebsten, wenn der Thomas gleich morgen beim Standesamt eine Änderung seines Nachnamens beantragen würde. Damit auch dieser  „Neger“ für immer aus dem Sprachgebrauch verschwindet. Die  Absurdität dieses Verlangens wäre  indessen zu offensichtlich.  Und so stürzen sich die selbsternannten Weltverbesserer auf das Logo seines Handwerksbetriebes als Blitzableiter ihrer Aggressionen. Ein einfaches Piktogramm mit einem hohen Erkennungswert, das auf den unbefangenen Betrachter ganz einfach lustig und humorvoll wirkt. Da schwingt eine afrikanisch anmutende Figur einen überdimensionalen Dachdeckerhammer. Mit diesem niedlichen Symbol hat sich vor über sechzig Jahren  der heitere Großvater  Ernst Neger selber verulkt. Aber Humor ist etwas, was Fanatiker am wenigsten verstehen. – Denen ist einfach nicht zu helfen.