Vermögen und Unvermögen
Veröffentlicht: 27. September 2012 Abgelegt unter: Skurriles, Besinnliches, Vermischtes | Tags: taz, umfairteilen, ver.di, Vermögenssteuer Hinterlasse einen KommentarDie vereinigte Linke (SPD, Linkspartei, die Grünen, ver.di) bemüht sich in diesen Tagen nach Kräften, einem längst tot geglaubten Gespenst neues Leben einzuhauchen: Vermögenssteuer! Besonders attraktiv: Zu erheben erst ab einen Vermögen von über 500.000€. Nach dem taz-Prinzip: toll, andere zahlen. Denn damit ist Lieschen Müller und Otto Normalo raus aus der Nummer. Materielle Armut ist schlimm. Geistige Armut ist schlimmer.
Erinnern wir uns: Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 1995 wurde diese Steuer faktisch abgeschafft. Denn die Richter legten eine strenge Messlatte an für eine gerechte Besteuerung von Vermögen. Im Einzelnen:
(Anfang des Zitats) … Das Bundesverfassungsgericht …hat mit Beschluß vom 22. Juni 1995 entschieden, daß die Bestimmungen des Vermögensteuerrechts,… mit dem Grundgesetz unvereinbar sind. Dabei hat das Gericht anerkannt, daß das Vermögen, das der persönlichen Lebensführung der Steuerpflichtigen dient, … von der Vermögensteuer ausgenommen werden muß….
Die Vermögensteuer …. muß also aus den üblicherweise zu erwartenden, möglichen Vermögenserträgen bestritten werden können und den Vermögensstamm unberührt lassen…
Dieses Erfordernis des Gleichheitssatzes ist durch die gegenwärtige gesetzliche Regelung verletzt. … Der Gesetzgeber ist deshalb verpflichtet, künftig eine gleichmäßige Vermögensbesteuerung zu gewährleisten. Dabei findet die Belastung der Erträge eine verfassungsrechtliche Grenze in der Ertragsfähigkeit des Vermögens… Die Vermögensteuer darf zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, soweit der Steuerpflichtige die Steuern aus den üblicherweise zu erwartenden Erträgen bezahlen kann und ihm nach Steuerzahlung ein ausreichender eigener Ertragsanteil verbleibt. Außerdem muß der Gesetzgeber bei der gegenwärtigen Vorbelastung des Vermögens, insbesondere durch die Einkommensteuer, den Teil des Vermögens von der Vermögensteuer verschonen, der zur Grundlage der individuellen Lebensgestaltung des Steuerpflichtigen und seiner Familie bestimmt ist. …(Ende des Zitats) Hier der volle →Text
Und so verzichtete seinerzeit die Politik aus Zweckmäßigkeitsgründen auf die weitere Erhebung dieser ohnehin verwaltungsintensiven Steuer. Zum Vergleich: Zum Zeitpunkt der Abschaffung lag das Aufkommen mit ca. 9 Mrd. DM ohnehin nicht einmal halb so hoch wie das der Zigarettensteuer.
Aber wieso kramt das linke Zweckbündnis ausgerechnet jetzt diesen alten Hut aus der hintersten Schublade? Die Begründung ist ebenso originell wie skurril: Der Staat musste ja so viele Schulden machen um die Banken zu retten. Und mit der Bankenrettung seien ja die Vermögen der Reichen gerettet worden. Klingt zunächst logisch. Da Arme kein Vermögen haben, könnten die auch nicht von einer Rettung profitieren. Blieben also nur die Vermögen der Reichen.
Und da ist schon der erste Fehlschluss: Mit der Rettung von IKB, Real Estate, Berliner Bank, Helaba, West-LB, HSH-Nordbank und wie die verdächtigen alle heißen, wurden diese Banken selbst gerettet. Kunden-Einlagen von „Reichen“? Fehlanzeige. Auffällig: Alle geretteten waren öffentliche oder öffentlich kontrollierte Banken. In den Aufsichtsgremien: Politiker. Zum Beispiel im Verwaltungsrat der KfW (IKB): Oskar Lafontaine. Wessen A…. wurde hier wohl gerettet? Sicher nicht der von Karl Albrecht (ALDI), Erivan Haub (Tengelmann), Dietmar Hopp (SAP), Susanne Klatten (BMW) usw. Und das Retten geht munter weiter. Jetzt sind nicht mehr die Banken, sondern ganze Staaten: Griechen, Portugiesen, Spanier, vielleicht auch bald das „Hollandische“ Frankreich. Eigentlich schade, daß unserer Nachbarn nicht zur hiesigen Vermögenssteuer herangezogen werden können. Wäre nach linker Denke doch eigentlich folgerichtig.
Ein Blick in den Kalender offenbart das wahre Motiv unserer Möchtegern-Steuereintreiber: 2013 stehen wieder Bundestagswahlen an. Und mal sehen, ob man nicht mit einer neuen Verteilungsgerechtigkeitsdebatte (Sozialneid ist so ein hässliches Wort) die gute Angela vor sich her treiben kann. Wohl wissend, daß die Finanzämter auf absehbare Zeit arbeitstechnisch gar nicht in der Lage sind, eine verfassungsgenmäße Vermögenssteuer zu erheben. Denn die müssen erst mal die Inhaltsverzeichnisse der Schweizer CDs studieren. Dabei wissen sowohl Linke als auch Gewerkschaftsbüttel, daß die oberen 10% der Einkommensteuerzahler bereits jetzt schon über die Hälfte des gesamten Kohle berappen. Irgendwie erstaunlich, daß Lafontaine, Bofinger, Bettensteuererfinder Borjans und Co nicht auf ein ganz einfaches Rezept gekommen sind: Wir verdoppeln einfach die Steuern für die obersten 10%, dann brauchen die anderen gar nichts mehr zahlen! Klingt vernünftig, gell? Müsste doch mehrheitsfähig sein?
Es gibt dafür sogar eine Internetplattform, so etwas wie eine virtuelle Volksabstimmung, hier:
http://www.vermoegensteuerjetzt.de/
Ich fühlte mich nicht bemüßigt dem guten gemeinten Aufruf zum Griff in fremde Taschen zu folgen. Da ich mich aber konstruktiv einbringen wollte, sende ich eine E-Mail an die genannte Adresse mail@vermoegensteuerjetzt.de :
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe mal in meiner frühkindlichen Erziehung gelernt:
„ Was man nicht will, das man Dir tu, das füg auch keinem anderen zu.“
Wenn also schon Vermögenssteuer, dann bitteschön auf alles, für alle, ohne Ausnahme. Also auch Auto, Hausrat, Briefmarken- und Münzsammlung, jedes Bankkonto ab dem ersten Euro. Ein guter Anhaltswert ist z.B. auch die Versicherungssumme der Hausratsversicherung. Der Barwert von Versicherungs- und Pensionszusagen gehört natürlich auch dazu. Erst dann könnte ich mich mit dem Gedanken einer Abgabe zur Rettung der Staatsfinanzen anfreunden. So aber nicht.
Übrigens: Es gibt ja bereits das Spendenkonto für Vater Staat bei Bundesbank Leipzig (Konto-Nr. 86001030, BLZ 86000000) Machen Sie das bitte Ihren Unterzeichnern bekannt, damit jeder für sich mit gutem Beispiel voran geht.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Ulrich
Zu meinem Erstaunen bekam ich eine persönliche Antwort. Die und die nachfolgende Korrespondenz findet sich hier:
Es gibt demnächst noch eine Fortsetzungsgeschichte an dieser Stelle. Stichwort: Armutsbericht der Bundesregierung, soll ja im November erscheinen, auch wenn jetzt schon über Entwürfe lustig schwadroniert wird. Übrigens: Angela lässt sich bei dem Thema keinesfalls treiben. Getreu dem Motto: Wir basteln uns publikumswirksam selber eine Opposition im eigenen Kabinett (Ursula), dann werden die parlamentarischen Opponenten erst gar nicht richtig wahrgenommen.
Bis demnächst an dieser Stelle,