Zigeunersauce
Veröffentlicht: 7. Oktober 2013 Abgelegt unter: Leserbriefe an Rheinische Post, Skurriles, Besinnliches, Vermischtes | Tags: Zigeunersauce Hinterlasse einen Kommentarsoll verboten werden. Nein, diesmal sind es nicht die Grünen, die uns unsere Essgewohnheiten austreiben wollen. Vielmehr ist es das →Forum der Sinti und Roma, das diese Vokabel mitsamt zugehörigem Schnitzel aus Speisekarten und Sprachgebrauch für immer und ewig tilgen möchte.
Der bekannte Kolumnist Klaus Kelle hat in einem Beitrag der Rheinischen Post dieses Ansinnen des besagten „Forums“ aufs Korn genommen:
Ich habe dazu einen Leserbrief geschrieben, der leider von der RP nur unvollständig abgedruckt wurde. Im nachfolgenden zunächst der Artikel von Klaus Kelle; im Anschluss daran mein ungekürzter Leserbrief.
Gute Unterhaltung!
Wenn Sprache das Denken verändern soll … von Klaus Kelle
Der sicher honorige Kampf gegen diskriminierende Begriffe führt in Deutschland oft zu echten Stilblüten. Problematisch wird es, wenn mit Wortschöpfungen unser Denken manipuliert werden soll.
Das „Forum für Sinti und Roma“ in Hannover erfreut uns diese Woche mit einem originellen Vorschlag. In einem Brief an die Hersteller von Grillsaucen fordert es, auf den Begriff „Zigeunersauce“ zu verzichten, um sich nicht dem Vorwurf von Diskriminierung auszusetzen. Einen Vorschlag, wie die Sauce zukünftig heißen soll, gibt es noch nicht. Das dürfte auch nicht einfach werden, denn nur „Scharfe Sauce“ könnte zu Abgrenzungsproblemen für die Verbraucher führen. Doch wohin soll das alles führen? Sinti und Roma wurden in Deutschland und werden bis heute in vielen Ländern diskriminiert. Das ist alles andere als witzig. Aber was verbessert sich, wenn wir Grillsaucen umbenennen? Müssen wir demnächst „Lustig ist das Leben der reisenden ethnischen Minderheit, faria, faria ho…“ singen?
Seit Jahren erleben wir eine Art Volkserziehung durch das Ändern von Begrifflichkeiten. Der Sarotti-Mohr war in meiner Kindheit überall präsent, irgendwann wurde er zum Sarotti-Magier. Der Negerkuss wurde zum Mohrenkopf, dann zum Schokokuss und ist heute, glaube ich, eine Schaumwaffel. Hat es etwas geändert? Gibt es keine Diskriminierung mehr? Ist sie weniger geworden? Ich habe nicht den Eindruck. Und während in unseren Radiosendern Rap-Musik aus den USA gedudelt wird, in denen sich die schwarzen, also die farbigen, ich meine die Sänger afroamerikanischer Herkunft, selbst gesanglich als „Niggaz“ bezeichnen, arbeiten wir uns an Lebensmitteln und ihren politisch korrekten Bezeichnungen ab.
Das klingt heiter, ist es aber nicht. Seit Jahren bemühen sich etwa Feministinnen darum, dem großen „I“ zum Durchbruch zu verhelfen. BürgermeisterIn statt Bürgermeister, neuerdings auch Bürgermeister_In. Oder die Anrede „Liebe Christinnen und Christen“ statt des geschlechterumfassenden „Christ“. Alles in Ordnung, solange es darum geht, Diskriminierung zu vermeiden. Aber ist Ihnen aufgefallen, dass auf das große „I“ gern verzichtet wird, sobald es negativ besetzte Begriffe sind? Die unsägliche Kampfparole „SoldatInnen sind MörderInnen“ werden Sie nie hören.
George Orwell hat in seinem Roman „1984“ den Begriff „Neusprech“ geprägt. Dabei ging es um eine vom Regime künstlich veränderte Sprache, geschaffen, um das Denken zu manipulieren. Was hat das mit Zigeunersauce zu tun, werden Sie sich nun fragen. Direkt nichts. Das aktuelle Beispiel sollte aber anregen, über die Veränderung von Begrifflichkeiten nachzudenken. Und darüber, ob es nicht der Manipulation dient, wenn zum Beispiel in einer sogenannten „gerechten Bibel“ von „Jüngerinnen und Jüngern“ geschrieben steht.
Mein Leserbrief dazu:
Sehr geehrtes Redaktionsteam,
die Kolumnen von Klaus Kelle gehören zweifellos zu den journalistischen Glanzstücken der Rheinischen Post. Seine Glosse über das geplante Verbot der Zigeunersauce ist einfach nur köstlich. Sprache als Mittel zur politischen Gehirnwäsche: Das trifft ins Schwarze. Die Beispiele hätten noch beliebig erweitert werden können: Aufführungsverbot des „Zigeunerbaron“, jener beliebten Operette von Richard Strauß. Der wunderschön schmachtende Schlager der unvergessenen Alexandra von ihrem „Zigeunerjungen“ wird eh schon seit Jahren von den Radio-Moderatoren gemieden. Die Operette „Gräfin Mariza“ von Emmerich Kalman muß künftig ohne die Arie „Komm Zigan“ auskommen. Und so weiter.
Der nachfolgende Text wurde von der Rheinischen Post nicht mehr abgedruckt:
Dabei gäbe es gewichtigere aktuellere Themen als der Quatsch mit Sauce für das genannte Forum der Sinti und Roma: Etwa die gegenwärtige Armutszuwanderung von Bevölkerungsgruppen aus Südosteuropa in unsere Städte. Die Medien sprechen da etwas ungenau und verschwommen von „Rumänen und Bulgaren“. Oder ein anderes Problem: die abgerichteten Klau-Kids, die hilflose Personen wie Mütter mit Kindern oder ältere Gebrechliche an den Bankautomaten berauben. Auch hier wird die ethnische Herkunft schamhaft verschwiegen. Dabei weiß jeder, um wen es sich handelt.
Wir sollten uns nicht zum Affen machen lassen. Verzeihung, es muß natürlich heißen: Zu Äffinnen und Affen. Soviel Gender muß sein.
Euer Bernd