Goldene Worte von Frau Antje

Die närrische Session beginnt zwar erst am 11.11., aber  Antje Hönig greift mit →Ihrer Kolumne in der RP vom 3.11. schon kräftig humoristisch vor: →Gold wir maßlos überschätzt. Na klar, dem würden unsere Sportfunktionäre nach der diesjährigen  Olympiade uneingeschränkt zustimmen!    Und maßlos überbewertet  sind  neben  van Gogh natürlich  auch die die Zigaretten- und Benzinpreise, Bänker-Boni und Fußballergehälter! Runter damit! Ok, Sprit kriege ich in Abu Dhabi billiger, und Glimmstengel sind in Polen günstiger zu haben. Aber wie sieht’s mit Gold aus?

Frau Antje beklagt: Gold hat keinen Wert an sich. Ja, was hat denn einen Wert an sich? Egal wie wir ticken: Der Wert einer Sache bemisst sich einfach danach, was andere bereit sind, dafür zu bezahlen. Uns so hält eben einer die Million Euro für die Blaue Mauritius für Schwachsinn, der andere für ein einmalig günstiges Schnäppchen. Zu blöde, daß gerade Chinesen, Inder und Araber so verrückt nach Gold sind. Die kaufen das Zeugs einfach. Und haben auch noch die Kohle dafür.

Richtig ist: Gold kann man nicht essen, daß musste schon in der Antike König Midas leidvoll erfahren. Gold bringt keine Zinsen, das ist das Mantra jedes Bankberaters, gebetsmühlenhaft wiederholt. Und der rät natürlich vom Gold ab. Denn da verdient die Bank nix dran. Keine Provisionen, keine Depotgebühren. Klar, daß jeder Kundenberater, egal ob Sparkasse oder XY-Bank  beim Stichwort Gold allergisch reagiert. Nur komisch, daß gerade die Notenbanken ihren Goldbestand seit Jahrzehnten hüten wie ihren Augapfel. Selbst die Pleite-Griechen haben ihren Goldschatz nur verpfändet, nicht verscherbelt. Die haben einfach noch nicht den Rat der Ökonomin Antje Höning vernommen: Erst Recht brauchen die Notenbanken kein Gold.  Schauen wir doch mal, wie sich der Goldpreis entwickelt hat: Eine 100€- Goldmünze von 2002, hat ihren Wert inzwischen mehr als verdreifacht. Ich habe meiner Nichte vor 19 Jahren eine österreichische Goldmünze, den sogenannten Philharmoniker, zur Kommunion geschenkt. Damaliger Kaufpreis: ca. 700 DM.  Heutiger Schalterankaufspreis: über 1.300€.  Ergibt eine jährliche Wertsteigerung von etwa 7%. Steuerfrei!  Da gerät ein Bänker gehörig ins Schwitzen wenn er da mithalten will.  Hochspekulative Anlageform? Daß ich nicht lache.  Klar, mit dem Bunkern von Heizöl hätte man noch mehr verdient. Aber nicht jeder hat einen Öltank für 60.000 Liter in seinen Vorgarten. Ein gleich wertvoller 12,5 Kilobarren Gold  hingegen ist etwa so groß wie eine Bierdose und lässt sich bequem unter jedem Kopfkissen verstecken.

Gottseidank hat unsere Bundesbank den Goldschatz bis jetzt gegen jede Begehrlichkeit von selbsternannten Wohltätern  gehütet. Denn nie waren die dort angelegten Spargroschen unserer Vorfahren so wertvoll wie heute. Schon Franz-Josef Strauß, Gott hab ihn selig, wusste: Politikern Geld anzuvertrauen ist gleichbedeutend mit der Aufforderung an den Hund, er möge doch auf die Wurst aufpassen.  Unser Gold wäre längst verfrühstückt und keiner wüsste mehr wo es geblieben ist.  Nur gut, daß die Bundesbank (noch) politisch unabhängig ist.

Aber irgendwie muß  Frau Antje auch im  Ökonomiestudium etwas falsch verstanden haben. Schreibt Sie doch: Auf der Währungskonferenz in Bretton Woods wurde der Goldstandard offiziell begraben. Nun, ich will niemandem ein Brett vor dem Kopf unterstellen, aber das Gegenteil ist richtig. In Bretton Woods wurde bekanntlich das Umtauschverhältnis von Gold zu Dollar auf Jahrzehnte fixiert, nämlich 35$ für eine Unze. Und fixe Kurse für die übrigen Währungen zum Dollar. Mit diesem Währungssystem, das bis in die siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts Bestand hatte, gelang der grandiose Wiederaufbau nach den Zerstörungen des Weltkrieges. Schädlicher Goldstandard? Mit Verlaub, Frau Höning, da haben  Sie in der Vorlesung nicht richtig aufgepasst.

Aber Frau Antje hat noch mehr goldige Ansichten: Heute sorgen Gesetze dafür, daß Notenbanken ihr Privileg, Geld drucken zu dürfen, nicht missbrauchen. Das ist so erfrischend gutgläubig naiv, so unbedarft! Da möchte man gleich hinterherschicken: Ja sicher, bald ist Heiligabend, da kommt der gute Weihnachtsmann und bringt die Geschenke, schreibt schon mal den Wunschzettel! Ganz ehrlich, Frau Höning: Lassen sie sich mal aufklären, wie das mit dem Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB   funktioniert. Oder was es mit der Bazooka von Draghi auf sich hat. Ein kleiner Hinweis: Mit Waffentechnik hat das nix zu tun, eher mit Druckerpressen.

Aber vielleicht ist daß mit dem maßlos überschätzt gar nicht monetär, sondern im übertragenen Sinne gemeint? Ok, dann hat der Ratschlag von Frau Antje etwas Gutes: Wenn jetzt in dieser Vorweihnachtszeit die Frau oder Freundin sinnierend vor dem Schaufenster des Juweliergeschäftes steht: Schau mal Schatz, ist diese Goldbrosche nicht wunderhübsch? Dann kann man jetzt guten Gewissens antworten: Nein mein Liebes, Gold wird maßlos überschätzt.

Der alte Kaiser Wilhelm. Damals 20 Mark, heute über 300€ wert

 Nachtrag 11.11.:

Nachdem ich obiges als Leserbrief an die RP geschickt habe, erhielt ich am 11.11. postwendend Anwort von Frau Dr. Höning:

Sehr geehrter Herr Ulrich,

 vielen Dank für Ihre ausführliche Mail. Wir freuen uns stets über kritische Zuschriften. Lassen Sie mich zwei Anmerkungen machen: Ökonomen haben sich über hunderte Jahre den Kopf darüber zerbrochen, was den Wert einer Ware ausmacht. Boden (Quesnay), Arbeit (Marx), bis die Allgemeine Gleichgewichtstheorie zur Erkenntnis kam, dass keine Ware einen Wert an sich hat, sondern sich dieser nur aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage ergibt. Das gilt für Häuser, Clementinen und eben auch Gold.

 Das Gesetz verpflichtet die EZB, die Inflationsrate bei zwei Prozent zu halten. Ein Bruch des Gesetzes (etwa durch das Anleihekauf-Programm), droht in der Tat, wäre ein Bruch des Gesetzes – ändert aber nichts am beschriebenen Prinzip. Auf Gold jedenfalls kommt es heute nicht mehr an, es ist eins von mehreren Möglichkeiten, wie die EZB/Bundebank ihre Aktiva halten kann.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Antje Höning

Meine Antwort am 12.11.:

Sehr geehrte Frau Dr. Höning,

haben Sie herzlichen Dank für Ihre prompte Antwort. Ich will mich im Folgenden jeglicher Ironie  enthalten und nur einige sachliche Anmerkungen beisteuern:

Sie schreiben in Ihrer Kolumne, daß auf der Währungskonferenz von Bretton-Woods der Goldstandard offiziell begraben wurde. Das ist nicht richtig. Im Gegenteil, der Wert des Dollars wurde am Gold fixiert, nämlich mit 35$ für eine Unze. Und die USA verpflichteten sich, jeden von einer anderen Notenbank eingereichten Dollar auf Verlangen in Gold umzutauschen. Es wurde ein System fester Wechselkurse der übrigen Währungen im Verhältnis zum Dollar eingeführt. Wenn das kein Goldstandard ist, was dann? Nach der Währungsreform 1949 wurde übrigens das Umtauschverhältnis von DM zu Dollar auf 4,20 DM pro $ festgelegt.  Das ermöglichte der Bundesbank, Ihre auf Dollar lautenden frühen Devisenüberschüsse der 50-er und 60-er in Gold umzutauschen.  Auch De Gaulle tauschte fleißig jeden Dollar in Gold. Die Bundesbank hingegen legte den überwiegenden Teil der Dollarguthaben in US-Schatzanweisungen an und nur zum geringen Teil in Gold.  Trotzdem kamen im Laufe der Zeit über 4.000 Tonnen zusammen. Das entspricht heutzutage annähernd zwei Weltjahresproduktionen.

Der Goldstandard von Bretton-Woods hielt bis in die frühen Siebziger. Es gab ein paar nur kurzfristige Anpassungen des fixen Verhältnisses von 35 über 38 bis zu 42 Dollar pro Unze, dann gaben die USA   die feste Bindung an Gold auf. Ich (Jahrgang 1950) erinnere mich noch gut daran, wie sich dann am nächsten Tag der Goldpreis auf über 90$ mehr als verdoppelte. Ursächlich  für die Aufgabe des Goldstandards war das durch den Vietnamkrieg verursachte Zahlungsbilanzdefizit der USA. In der Folge kam es zu einer als „Stagflation“ bezeichneten Phase (eine Wortschöpfung der siebziger Jahre) in deren Verlauf der Goldpreis bis auf 800$ im Jahre 1980 stieg. Damals litt die gesamte Weltwirtschaft, verstärkt noch durch die erste Ölkrise. Und in Deutschland wunderte man sich, als 1973 die Zahl der Arbeitslosen plötzlich auf über eine Million (!) stieg. Erst mit der als „Reaganomics“ apostrophierten wirtschaftlichen Gesundung der USA fiel der Goldpreis in Folge wieder auf 400$, gelegentlich auch  darunter.

Sie schreiben vom schädlichen Goldstandard. Immerhin wurde mit diesem System die grandiose Aufbauleistung der westlichen Länder nach den Verwüstungen des zweiten Weltkrieges geschultert. So schlecht kann dieser  Standard eigentlich nicht gewesen sein.  Auch der kometenhafte Aufstieg des Deutschen Reiches  nach der Gründung von 1971 bis 1914 zu einer führenden Wirtschaftsmacht war flankiert von einer am Gold fixierten Währung.  – Aber ich gebe Ihnen insoweit recht, als eine Rückkehr zum Goldstandard heutzutage undenkbar ist.

Fünf DM

Fünf DM

Aber schauen wir mal  rüber zum Gold des kleinen Mannes, dem Silber. Wie ich Ihrer Vita entnehme, wurden Sie 1967 geboren. Vielleicht erinnern Sie noch, einmal ein altes  5 DM-Stück in der Hand gehabt zu haben, den Silberadler,  so wie er  bis 1974 im Umlauf war. Und vielleicht durften Sie schon damals für Ihre Mutter einkaufen. 5 DM, das waren für uns  achtmal Pommes mit Mayo und noch zwei Kugeln Eis dazu. Oder 10 Glas Bier in der Schülerkneipe.  Im Jahre 1951, als dieses Geldstück geprägt wurde, hatte die damals noch arme Bundesrepublik diesem „Heiermann“ 7 Gramm Silber mitgegeben. Ein Drittel des Münzwertes war damit durch Silber gedeckt.    Die Leute sollten wieder Zutrauen fassen zum neuen Geld. Heute hat dieser Heiermann einen Silberwert von etwa 5 Euro. – Wenn Sie noch einen haben, heben Sie ihn gut auf! Zurück zum Thema: Ihre Kolumne legt nahe, daß Gold heute als Währungsreserve überflüssig ist. Solche Ansichten sind durchaus diskutabel, nur wecken sie in der konkreten Situation leider  Begehrlichkeiten von interessierter politischer Seite.  Wenn in diesen Zeiten die Bundesbank ihr Gold zur Disposition stellen würde, dann wäre das ein ganz fatales Signal. Es wäre überdies mal wieder ein deutscher Alleingang, ohne Not. Fraglich, ob dann unser Finanzminister sich anschließend noch mit praktisch Null-Zins refinanzieren könnte.

Mit freundlichen Grüßen

Bernd Ulrich