Neues von Margot – Jetzt gegen Martin

Martin Luther

Martin Luther

Unsere Ex-Bischöfin Margot, geborene Schulze, geschiedene Käßmann, zieht mal wieder zu Felde. Nein, nicht gegen die Heiden, sondern gegen den längst verstorbenen Dr. Martin Luther. Dem unterstellt sie ganz schlimmen Antisemitismus. Hat der doch vor beinahe fünfhundert Jahren eine Schrift verfasst: „Von den Juden und ihren Lügen“.  Was Margot verschweigt: Martin Luther hat noch ganz andere Schriften verfasst. So zum Beispiel „Wider die mörderischen Rotten der Bauern“ oder „Von Kriege wider die Türken“.    Heutzutage regt sich kein Agrarlobbyist darüber auf; kein türkischer Botschafter interveniert. Was bewegt also Margot, den alten Kram wieder hervorzuholen?

 Ihr Text trägt die Überschrift „Die dunkle Seite der Reformation“. Erschienen am Karsamstag als Gastbeitrag in der FAZ. Verfasst in fehlerfreien Deutsch. Die Autorin stand somit bei der Niederschrift des Textes aller Wahrscheinlichkeit nach nicht unter dem Einfluss berauschender Getränke. Dunkle Seite der Reformation? Wer sich einmal die Skulptur der →„Judensau“ an der Außenfassade des Regensburger Doms angesehen hat, der weiß, daß Antisemitismus zu jener Zeit keineswegs ein Privileg der reformierten Kirche war.

 Aber die evangelische Seelenhirtin Käßmann spannt sehr schnell den Bogen zur Neuzeit. Sie schreibt: „Bis auf wenige Einzelne versagte die evangelische Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus, weil sie Menschen jüdischen Glaubens nicht schützte und sich den Holocaust nicht vehement entgegenstellte.“  Das ist verquere Nestbeschmutzung. Zum einen gab es mit der „Bekennenden Kirche“ zur Zeit des Dritten Reiches eine mutige Opposition der evangelischen Geistlichkeit gegenüber dem Regime.  Denn  die NS-Machthaber hatten  mit der  Organisation der „Deutschen Christen“  nichts geringeres vor als die Auslöschung der traditionellen christlichen Glaubensgemeinschaften.   So schreibt das Online-Lexikon Wikipedia:

 Eine Denkschrift der Bekennenden Kirche an Hitler im Mai 1936, welche weit über kirchenpolitische Fragen hinausging und so beispielsweise Konzentrationslager verurteilte, führte zu massenhaften Verhaftungen und Verfolgungen von Geistlichen.

 Man hätte erwartet, daß Margot die Passionszeit  2013  zum Anlass nimmt, auch an das Leiden Ihrer Glaubensgenossen zur Zeit der NS-Herrschaft zu erinnern.

 Die eigentliche Infamie: Die Ex-Bischöfin unterstellt den Seelsorgern zur Zeit des Dritten Reiches so ganz nebenbei umfassende Kenntnis vom Holocaust, dem sie sich seinerzeit  „vehement entgegenstellen“ sollten. Wenn selbst altgediente Wehrmachtsoffiziere und Soldaten wie Helmut Schmidt oder Hans-Dietrich Genscher als noch lebende Zeitzeugen bestätigen, erst nach Kriegsende vom organisierten Judenmord erfahren zu haben, was hätte ein einfacher Landpfarrer wissen sollen? Selbst der Bischof  von Münster, der spätere Kardinal Graf Galen, war unwissend. Sonst hätte er in seinen legendären Predigten   nicht nur gegen die Euthanasie, sondern auch gegen die Judenvergasung gewettert.   Er hat sich übrigens auch öffentlich in seinen Predigten für den im KZ inhaftierten evangelischen Pastor Martin Niemöller eingesetzt. Die Vokabel Holocaust tauchte erst über dreißig Jahre später im Sprachgebrauch auf.

 Margot Käßmann konstatiert am Schluss ihres Pamphletes: „… in Deutschland kommt der Antisemitismus auf erschreckende Weise immer wieder zum Vorschein“. Hier sieht Margot Gespenster. Denn Antisemitismus wird zwar häufig beschworen, aber selten manifestiert.  Aus einem einfachen Grunde: Wer in Deutschland auch nur in die Nähe eines Anscheins von Antisemitismus gelangt, der hat Amt und Karriere verspielt. Philipp Jenninger, Martin Hohmann, Jürgen Möllemann sind nur einige beredte Beispiele. Und  fanatische Islamisten hat Margot vermutlich nicht in Visier. Irgendwie erinnert das an die Gespenstererscheinung, die weiland Martin Luther heimsuchte, als er auf der Wartburg das →Tintenfass nach dem Leibhaftigen warf. Leider ist nicht überliefert, welcher Alkoholpegel  seinerzeit in den Adern des streitbaren Reformators pulsierte, als er den Teufel zu sehen glaubte. Womit wir wieder beim Anfang wären.

 Wer das ganze Elaborat von Margot Käßmann lesen will, bitteschön (auf den Artikel klicken):

Die dunkle Seite der Reformation nach Margot Käßmann

Die dunkle Seite der Reformation nach Margot Käßmann

Hier der Link zur Diskussionsseite:

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/fremde-federn-margot-kaessmann-die-dunkle-seite-der-reformation-12131764-l1.html

Nachtrag:

Am 19. April wurde dieser Beitrag nahezu ungekürzt als Leserbrief in der FAZ veröffentlicht:

 

Leserbrief FAZ 19.April 2013

Leserbrief FAZ 19.April 2013

 

 


4 Kommentare on “Neues von Margot – Jetzt gegen Martin”

  1. Peter Mäder sagt:

    > Entsetzt bin ich über den gegen Frau Käßmann gerichteten dummen und gehässigen
    > Leserbrief in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 19. April.
    > Wo bleiben für den Verfasser historische Tatsachen und ethische
    > Bewertungen? Die brutale Verfolgung und Entrechtung jüdischer
    > Mitbürger war ab 1933 allen Deutschen öffentlich bekannt. Die großen
    > christlichen Kirchen standen dabei weithin nicht an der Seite der
    > Opfer.
    > Ich bin ein katholischer Theologe. Vieles aus der Theologie Martin
    > Luthers sagt mir sehr zu, vor allem seine Hinwendung zur Bibel.
    > Es wäre aber verfehlt, Luthers Antisemitismus zu verdrängen, zumal
    > dieser bis weit ins 20. Jahrhundert hinein weitergewirkt hat. Für eine
    > konfessionelle Polemik ist aber kein Platz: der Antijudaismus
    > durchzieht ebenso die Geschichte der katholischen Kirche.
    > Sehr froh und dankbar bin ich, dass es Persönlichkeiten wie Frau Käßmann
    > gibt, die ihre Stimme für die Wahrheit und Menschlichkeit erheben.

    Professor Peter Mäder

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    • Sehr geehrter Herr Professor Mäder,

      haben Sie herzlichen Dank für Ihre Kommentierung meines Leserbriefes. Ich freue mich über jede Art von Stellungnahme, auch wenn sie kontrovers ist, denn davon lebt die Diskussion. Deshalb will ich Ihnen heute etwas ausführlicher antworten. Ihre Attribute „dumm und gehässig“ nehme ich nicht persönlich, ich schreibe sie einem emotionalen Erregungszustand zu. Zu mir selbst: Ich selbst bin weder Theologe noch Historiker. Evangelisch konfirmiert, habe ich in den 60-er Jahren ein klassisches Gymnasium absolviert. Die Fähigkeit zum logischen Denken wurde durch ein erfolgreich abgeschlossenes Studium der Mathematik, Physik und Volkswirtschaft weiter gefördert. – Zu meiner Einschätzung der Person Margot Käßmann komme ich am Schluss. Daher zunächst zur Sache:

      Es ist meines Erachtens unzulässig, eine gerade Linie zu ziehen von Luthers Antijudaismus hin zum Holocaust. Denn Luthers Beweggründe waren religiöser Natur: Die Juden akzeptieren nicht die christliche Botschaft, nämlich daß Jesus der Messias ist, der von Gott Gesandte. Der Antisemitismus der Nazis hingegen war rassistisch begründet: Ein Jude kann kein Deutscher sein, so stand es im Programm der NSDAP. Die schlechten Charaktereigenschaften, die die Nazis generell den Juden zuschrieben, waren nach deren Lesart Teil ihres evolutionären Erbgutes. Obendrein glaubten die Machhaber des Dritten Reiches allen Ernstes an die jüdische Weltverschwörung so wie in den Protokollen der Weisen von Zion beschrieben. Da dieser Antisemitismus rassistisch begründet war, waren getaufte Christen mit jüdischer Herkunft ebenso betroffen wie traditionelle Glaubensjuden. Dies hätte dem Gedanken Luthers diametral widersprochen: Jemand, der sich zum Christentum bekennt, ist automatisch ein Christ. Das Symbol hierfür ist die Taufe. Rassistisches Gedankengut war Luther fremd. Es widerspricht auch christlicher Überzeugung, nach der alle Menschen „Kinder Gottes“ sind. Völlig zu Recht hat der selige Pater Rupert Mayer schon sehr früh festgestellt, daß ein Christ kein Nationalsozialist sein kann.

      Zu den historische Tatsachen:

      Sie schreiben: Die brutale Verfolgung und Entrechtung jüdischer Mitbürger war ab 1933 allen Deutschen öffentlich bekannt. Dies ist eine pauschale Unterstellung, die so nicht korrekt ist. Ich halte Ihnen zugute, daß Sie vermutlich einige Jahre jünger sind als ich (Jahrgang 1950) und der Geschichtsunterricht, dem Sie sich in Ihrer Schulzeit unterzogen haben, bereits von der Lesart der „68-er“ geprägt wurde.

      Richtig ist, daß das Parteiprogramm der Nationalsozialisten, wie oben erwähnt, ohne jeden Zweifel antisemitisch war. Indessen waren die Juden ab 1933 nicht rechtlos im mittelalterlichen Sinne von „vogelfrei“. Die Entrechtung vollzog sich in mehreren Schritten: Gesetz zum Schutz des Berufsbeamtentums im Jahre 1933 (von dem im gleicher Weise auch politische Gegner betroffen waren), Reichsbürgerschaftsgesetz von 1935 sowie die Nürnberger Rassegesetze, die Heiraten von Ariern mit Nichtariern (also Juden, Orientalen, Schwarze, Asiaten) als „Rassenschande“ unter Strafe stellten. Genauer betrachtet diskriminierte dieses Gesetz auch die „Volksdeutschen“, die damit in ihrer Partnerwahl eingeschränkt wurden. Die damals zwangsweise in den Ruhestand versetzten Beamten erhielten zunächst weiterhin ihre Pensionen. Schön nachzulesen bei Viktor Klemperer und seinen Tagebüchern.

      Eine Diskriminierung und Schikane war 1933 offensichtlich, von einer „brutalen Verfolgung“ konnte angesichts dessen, was erst ab 1938 (Reichskristallnacht) und ab 1942 (Endlösung) folgen sollte, noch nicht die Rede sein. Sonst wäre kaum die freie westliche Welt im Jahre 1936 Hitlers Gast bei den Olympischen Spielen in Berlin gewesen. Und noch im Herbst 1937 schrieb Winston Churchill sinngemäß: „Sollte unser Land einmal am Boden liegen, dann wünsche ich ihm einen Führer wie Adolf Hitler“. Selbst im Jahr 1945 gab es honorige Leute, die nicht an die nationalsozialistischen Verbrechen glauben wollten, wie etwa der schwedische Forschungsreisende Sven Hedin oder der norwegische Literaturnobelpreisträger Knut Hamsun. Der Holocaust selbst unterlag strenger Geheimhaltung. Ein eindrucksvolles Dokument dazu ist Himmlers bekannte Posener Rede. Wenn Sie weiter in diese Materie einsteigen wollen, dann empfehle ich Ihnen die Lektüre des Buches „Völkermord als Staatsgeheimnis“. Eine gute Rezension findet sich hier: http://charismatismus.wordpress.com/?s=Zayas . Wir können, wenn Sie interessiert sind, hier gerne tiefer in die Diskussion einsteigen.

      Ob nun die Kirchen zur Zeit des Nationalsozialismus sich stärker für die Juden hätten einsetzen sollen? Darüber lässt sich trefflich streiten, je nach Standpunkt und Betrachtungsweise. Wir wissen heute, daß der Vatikan gegen Ende 1942 vom Massenmord in den Vernichtungslagern informiert war. So stellte Eugenio Pacelli als Papst Pius XII in seiner Weihnachtsbotschaft 1942 fest: Der Kreuzzug für die Säuberung und Erneuerung der menschlichen Gesellschaft ist eine Notwendigkeit. Alle Opfer dieses Krieges fordern ihn, die Toten, die Überlebenden, die Flüchtlinge und alle, die ohne eigenes Verschulden aus Gründen der Staatsangehörigkeit oder der Rasse zum Tode oder zum Verschwinden bestimmt sind.“ Damit sind die Juden ebenso gemeint wie die übrigen Opfer. Hierbei ist zu bedenken, daß der Vatikan ebenso wie auch die deutsche Geistlichkeit im faschistischen Machtbereich war. In Deutschland gab es zudem seit Bismarcks Zeiten den „Kanzelparagraphen“, der politische Äußerungen in Predigten unter Strafe stellte. Nicht jeder hat das Zeug zum Märtyrer und den Kirchenoberen oblag auch die Verantwortung für die nachgeordneten Amtsträger. Die Goebbelstagebücher geben uns eine Ahnung von dem, was den Kirchen geblüht hätte, wäre der Krieg siegreich für Hitler ausgegangen wäre.

      Unsere heutige Betrachtung der damaligen Verbrechen ist schwerpunktmäßig auf die Opferrolle der Juden fixiert. 1933 gab es in Deutschland ca. 500.000 Juden. Etwa die Hälfte ging bis 1939 ins Exil. Das war schwierig genug, denn alle Staaten, auch die USA und England ließen nur eine sehr beschränkte Zahl an Einwanderern zu. Offenbar war man sich auch im Ausland der lebensgefährlichen Lage der deutschen Juden nicht bewusst. Von den verbliebenen 250.000 starb wiederum die Hälfte in den Vernichtungslagern.

      Aber in den dreißiger Jahren passierte viel mehr: Die Verfolgung der Sozialisten, Kommunisten und Andersdenkenden. Die Ermordung von innerparteilichen Konkurrenten (Röhmputsch). In Abessinien setze Mussolini Giftgas gegen die Bevölkerung ein. In Nanking wurden zweihunderttausend Chinesen durch die Japaner in einem Blutrausch abgeschlachtet. In der Ukraine lässt Stalin fünf Millionen Menschen verhungern. In Indien führte Gandhi seinen Unabhängigkeitskampf gegen England. Usw., usw. – Viele Anlässe für Christen, Stellung zu beziehen und sich zu engagieren. Bevor wir über unsere Vorfahren den Stab brechen sollten wir versuchen, uns die damalige Lage zu vergegenwärtigen. Wie lautet das vierte Gebot: Du sollst Vater und Mutter ehren. Statt dessen bewerfen wir sie mit Schmutz. Sie können sich ja nicht mehr wehren. Ist das menschlich? Die Wahrheit und Menschlichkeit von der Sie sprechen?

      Zur „Persönlichkeit“ Margot Käßmann: Sie lässt nun mal keine Gelegenheit aus, das Fähnlein in den passenden Wind zu hängen. Das ist keine Moral, sondern Moralin. Ob Bundeswehr (Nichts ist gut in Afghanistan), Sozialleistungen (Sind Hartz-IV-Empfänger keine Menschen?) Sarrazindebatte oder jetzt Antisemitismus. Stets reitet sie auf einer Welle, wo ihr der Beifall eines bestimmten Publikums sicher ist. Sarrazin konnte auf süffisante Weise darlegen, daß sie sein Buch entweder nicht gelesen oder nicht verstanden hatte. Wobei das erstere das wahrscheinlichere ist. Wie heißt das achte Gebot: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinem Nächsten.

      Vielleicht tue ich dieser Frau unrecht. Möglicherweise ist das, was sie von sich gibt, tatsächlich ihre innere, aufrechte Überzeugung. Ich halte das indessen für extrem unwahrscheinlich und ich glaube nicht daran.

      Auf eine Fragestellung sind Sie, Herr Professor Mäder, auch nicht eingegangen: Wo sehen Sie in diesem Land Antisemitismus, so wie ihn Frau Käßmann vorgibt wahrzunehmen (in Deutschland kommt der Antisemitismus auf erschreckende Weise immer wieder zum Vorschein)?

      Ich freue mich auf Ihre Antwort.

      Herzliche Grüße

      Bernd Ulrich

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  2. KSU sagt:

    Die Exbischöfin ist ein bedauerliches Geschöpf: sie konnte bisher nicht mit sich ins Reine kommen. Vermeintliche hohe Intelligenz, wohl mehr noch das Gefühl, zu Hohem berufen zu sein, umgeben von einer Welt mit zu vielen Kleingeistern, die ihr Auserwähltsein nicht erkennen wollen oder es nicht können. Dabei steht sie fordernd nicht nur den evangelischen Christen gegenüber oder zur Seite, sondern sieht sich als wahre Verkünderin des Heils für alle Menschen.

    Je stärker sie die eingeschränkte Verständnisbereitschaft dabei spürt, umso mehr wählt sie den Weg der Verkündigungen. Und die Plattform bieten ihr gerne überregionale, medienwirksame Veranstaltungen ihrer Kirche aber auch andere Gruppierungen unserer Gesellschaft. Und, warum nicht auch noch aus der Hypothek der Deutschen nach dem Naziregimes: dem Holocaust, formbare Argumente ableiten?

    Aber, sie sollte sich nicht selbst und ihre Ansprechpartner überfordern. Wenn sie nicht besser auf sich und ihre geistigen Ausläufer aufpaßt, kann sie endgültig straucheln und keiner will mehr etwas von ihr hören und lesen. Das aber wäre ihr Untergang.

    Eine Frage, die mich seit der Kristallnacht bewegt, und die mir bisher keiner zufrieden stellend beantworten konnte oder wollte, sollte sie einmal versuchen zu klären: Warum mußten Juden über Jahrtausende hinweg – fast all überall in einer Außenseiterrolle gedrängt, ständiger Verachtung und Verfolgung ausgesetzt sein? Umso mehr war es zu begrüßen, daß nach diesen Jahrhunderten der Unstetigkeit die Juden endlich mit Hilfe der UNO – nun als Israelis – ihren eigenen Staat aufbauen konnten in Nachbarschaft mit den Palästinensern, denen die UNO die gleichen Rechte zugesprochen hatte.

    Aber was haben die jetzigen israelischen Staatsbürger aus dieser Chance gemacht? Ein Vergleich der Landkarten von 1948 und von 2013 dokumentiert die Verletzungen des Völkerrechts und der Menschenrechte. Statt des erwarteten Friedens, der Ruhe haben wir täglich Kleinkrieg. Das Übel könnte darin bestehen, daß die israelische Machtpolitik religiös durchwirkt ist. Denn die militanten jüdisch/orthodoxen Fundamentalisten deuten alttestamentarische Verheißungen als Rechtfertigung: Das gelobte Land für das Auserwählte Volk Gottes.

    Dies mag eine Erklärung dafür sein, daß Israelis so gut wie gar kein Schuldbewußtsein zeigen.

    Israel muß derzeit darauf gefaßt sein, daß es mit seiner Politik nicht seine letzten Freunde verliert und daß dieser junge Staat von allen Nachbarn eher als Implantat empfunden wird. Die Abstoßgefahr ist zumindest in der Heilkunst bekannt.

    Eine Reminiszenz aus dem 2. Weltkrieg: Evangelische Pfarrer waren zu einem beachtlichen Anteil Parteigenossen, in der kath. Kirche war das tabu. Sie konnten im Krieg als Divisionspfarrer Offiziersrang bekleiden.), ansonsten waren sie mit Mannschaftsdienstgrad als Sanitäter in vorderster Front. Mein Batterie-Chef, seines Zeichens ein ev. Pfarrer(anscheinend auch ein überzeugter Nazi) machte bei der Gefangennahme durch alliierte Truppen abfällige Bemerkungen über die Gegner und die haben ihn sofort erschossen.

    Geistliche, also auch Margot Käßmann stünden Demut und stille Zielstrebigkeit gut an. ABER, Gottes Lohn winkt erst im Himmel! Die Bibel bietet noch so manche Hilfe auch für den Alltag.

    Mit freundlichen Grüßen

    W.R.

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    • Sehr geehrter Herr R.,

      haben Sie herzlichen Dank für Ihren ausführlichen Kommentar zu meinem Leserbrief. Er wurde von der FAZ nahezu ungekürzt veröffentlicht. Den originalen Text habe ich auch in meinem BLOG hinterlegt.
      Was die Beurteilung der Person und Amtsperson Margot Käßmann angeht, da sind wir uns einig. Eine Anmerkung zur Ihrer Frage: Warum mußten Juden über Jahrtausende hinweg – fast all überall in einer Außenseiterrolle gedrängt, ständiger Verachtung und Verfolgung ausgesetzt sein?

      Eine vollständige Diskussion hierüber könnte ganze Bücher füllen, daher nur einige Gedanken dazu:

      Diese Prämisse ist so nicht ganz richtig, auch wenn es von den Zionisten so dargestellt wurde. In Deutschland und dem übrigen Westeuropa des 19. Jahrhunderts waren Juden gleichberechtigte Bürger; in Deutschland bis 1933. Der Anteil der jüdischen Bevölkerung war 1933 weniger als 1%, dabei waren Juden überproportional in gehobenen Berufen wie Justiz, Ärzteschaft, Diplomaten, Künstler, Wissenschaftler, Bankiers usw. tätig. Eine Diskriminierung sieht anders aus. Auch der bedeutendste Premier Königin Viktorias, Benjamin Disraeli, war Jude.

      Auch in den islamischen Herrschaftsgebieten, seien es die Araber oder später die Osmanen, ging es den Juden vergleichsweise gut, jedenfalls nicht schlechter als den Christen.

      Der Antisemitismus bzw. Feindschaft gegen Juden lässt sich in verschiedenen Epochen unterschiedlichen Beweggründen zuordnen. Bei den Nazis ist es offensichtlich: Da glaubte die oberste Führung: Hitler, Goebbels, Himmler tatsächlich an die jüdische Weltverschwörung. Gut nachzulesen in Hitlers „Mein Kampf“. Die Theorie der jüdischen Weltverschwörung entsprang den Protokollen der Weisen von Zion, ein Propagandawerk des zaristischen Russland. Für Hitler war das schlüssig: Der Verbund der amerikanischen und englischen Finanzjuden mit der jüdischen Führungsschicht Sowjetrusslands war verantwortlich für die Niederlage im ersten Weltkrieg. Die ersteren bewirkten den Kriegseintritt der USA 1917, die letzteren den „Dolchstoß“. Zudem waren die Juden als Rasse der Ausbund des Bösen schlechthin: Der Jude hat keine Heimat, ist daher bindungslos und illoyal, er ist der ewig wandernde Jude. Ich weiß nicht, ob Sie in Ihrer Jugend den Film „Der ewige Jude“ gesehen habe. In dem wird das ganze Denkmuster der Nazis offenbar.

      Der Antisemitismus des Mittelalters war einfach religiös begründet: Die damalige Amtskirche war nicht zimperlich mit denen, die die christliche Botschaft nicht vernehmen wollten oder einfach anders glaubten. Wie etwa auch bei Hugenotten, Albigenser, Geusen oder einfach Heiden.

      Ein sehr gutes Buch über den Komplex Antisemitismus/Zionismus/Nationalismus bietet das Werk des israelischen Professors Shlomo Sand: „Die Erfindung des jüdischen Volkes“. Ich kann dieses Buch nur jedem empfehlen, der sich in diese Materie vertiefen will. Ich habe es mit großem Gewinn gelesen. Shlomo Sand spannt dabei einen sehr weiten Bogen. Lassen Sie sich nicht durch abwertende Kommentierungen auf Wikipedia beeindrucken. Natürlich wird auch der Nahostkonflikt thematisiert. Ein gutes Beispiel, daß es zur israelischen Politik eine jüdische Opposition sowohl innerhalb als auch außerhalb Israels gibt.

      http://www.amazon.de/Die-Erfindung-j%C3%BCdischen-Volkes-Gr%C3%BCndungsmythos/dp/3548610331/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1366794139&sr=8-1&keywords=sand+shlomo

      Ich selbst bin Jahrgang 1950 und kenne die Kriegszeit nur aus Erzählungen. Was ich von meinem inzwischen neunzigjährigem Vater weiß, das habe ich vor einigen Tagen aufgeschrieben:

      http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/unsere-muetter-unsere-vaeter/die-leserdebatte/bernd-ulrich-er-konnte-heimkehren-andere-nicht-12126446.html

      Sie haben den Krieg noch als aktiver Soldat erlebt. Ich würde mich da gerne über Ihre Erinnerungen mit Ihnen unterhalten. Ich werde, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, Sie dazu in den nächsten Tagen anrufen.

      Herzliche Grüße

      Bernd Ulrich

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