Witzfiguren im Europaparlament
Veröffentlicht: 17. Juni 2014 Abgelegt unter: Leserbriefe an die FAZ, Skurriles, Besinnliches, Vermischtes | Tags: Europawahl Hinterlasse einen KommentarFrank Walter Steinmeier, Außenminister von Angela Merkels und Andrea Nahles Gnaden, ist mächtig sauer. Da hat doch eine deutsche →Jux-PARTEI den Sprung ins Europaparlament geschafft. Das passt ihm nun gar nicht. Und schon denkt er wieder laut über eine Änderung des Wahlrechts nach. Nachzulesen im Interview mit der →FAZ am 30.5.2014. Etwa 160.000 wahlmündige Bürger haben nach seiner Ansicht falsch abgestimmt. Wie nennt man so einen Genossen in der SPD? Einen lupenreinen Demokraten!
Nun gehört Satire ja eigentlich zum politischen Tagesgeschäft. Politisches Kabarett lebt davon. Den Gegner mit dem anderen Parteibuch der Lächerlichkeit preisgeben: Alltagsroutine. Ein schönes historisches Beispiel: Helmut Kohl als Birne. Warum also die Empfindlichkeit von Frank Walter?
Ganz einfach: Hier hat jemand den Spieß herumgedreht. Wie unfair! Denn üblicherweise wird der Bürger durch die Politiker ver…. ? Ja was denn? Verulkt, verjuxt, veralbert? Sagen wir es ruhig: Verarscht! Nein, ich habe keine Hemmungen, das hier so hinzuschreiben. Denn mit dem Einzug der Grünen in deutsche Parlamente wurde bekanntlich die Fäkalsprache zum üblichen Umgangston. „Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch!“ So der legendäre Originalton von Josef (Joschka) Fischer im deutschen Bundestag. Und selbst Wolfgang Schäuble bekennt wörtlich: →„Auch wir bescheißen …“. Und jetzt nun die Retourkutsche: Jetzt verarschen mal zur Abwechslung die Bürger ihre Politiker. Über Hundertsechzigtausend haben sich an dem sonnigen Sonntag der Europawahl aufgemacht in die Kabine, um mit ihrem Kreuz auf dem Zettel zu manifestieren was sie von dem Verein halten: Absurdes Theater. Mehr als die Hälfte aller Wahlberechtigten in dieser Republik haben erst gar nicht abgestimmt. Im Jargon der 68-er: Die Europawahl geht ihnen am A… vorbei.
Glühbirnenverbot, Bananenkrümmung, Gurkenlängen, Staubsauger und Toilettenspülungen. Nein wir brauchen nicht erst nach Brüssel zu gehen um uns verarscht zu fühlen. Schauen wir in heimische Gefilde: Maut und Mindestlohn, Mietpreisbremse, Rente mit 63 usw. Sämtliche Fachleute schlagen die Hände über dem Kopf zusammen über das, was in diesen Tagen im Bundestag durch GroKo abgenickt wird. Warum regt sich kein Widerstand? Viele Parlamentarier haben doch zuvor ihre erheblichen Bedenken gegen diese populistische Geisterfahrt kund getan! Die lapidare Begründung: Fraktionszwang! Dabei ist diese Art der Disziplinierung unserer Abgeordneten in der Verfassung doch gar nicht vorgesehen. Nach dem Willen der Väter (und Mütter) unseres Grundgesetzes sollten nämlich die Volksvertreter ihrem Gewissen verantwortlich sein. Und nur ihrem Gewissen. Schön wär‘s!
Statt Ort zu sein für ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzungen und zielgerichteter Entscheidungsfindung sind unsere Parlamente zu Schaubühnen des permanenten Wahlkampfes verkommen. Man könnte auch sagen: Komödien und Schmierentheater. Die eigentliche Sacharbeit für die Gesetzgebung findet in Fraktionssitzungen und Ausschüssen statt. Und die sind per se nicht öffentlich. Demokratie sollte anders funktionieren.
Nein, der Einzug der Jux-Parteien in die Parlamente ist nicht spaßig. Unser politisches Establishment sollte das ernst nehmen. Bitterernst. Und sich dabei selbst im Spiegel betrachten.
Euer Bernd