Zeder: Kein Hinrichtungsaufschub?

Liebe Freunde der alten Atlaszeder,

es sieht wirklich nicht gut aus. Noch am Donnerstag keimte etwas Hoffnung auf durch das Dementi des zuständigen Dezernenten im  Ratinger Wochenblatt:  Noch kein Einsatzbefehl für die Motorsäger. Doch schon einen Tag später sang die gut informierte Rheinische Post das Requiem auf die alte Zeder: Und die Stadt legte nach: Im FOCUS online veröffentlichte die Stadt ein Freitagvormittag eine langatmige Begründung, weshalb der alte Baum nun  schnellstens der Säge geopfert werden müsse:

 http://www.focus.de/regional/nordrhein-westfalen/stadt-ratingen-atlaszeder-muss-gefaellt-werden_id_7675911.html

Die Hektik der Verantwortlichen ist nur zu verständlich. Hatten sie sich doch ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt mit der Behauptung, die alte Zeder würde in den nächsten Monaten mit hoher Wahrscheinlichkeit einfach so umknicken. Wenn nun der prächtige Baum die kommenden Herbst- und Winterstürme unbeschadet übersteht, dann hätten die Stadtoberen ein erhebliches Glaubwürdigkeitsproblem. Also scheut man die Probe aufs Exempel, in dem einfach Fakten geschaffen werden. Das ist auch der Grund, weshalb der sinnvolle Vorschlag, die Standfestigkeit des Baumes mittels eines Zugversuches zu testen, rundweg abgelehnt wird.

In meinem Brief an den Bürgermeister hatte ich im August geschrieben:

 Die Festigkeit eines zylindrischen Körpers, zu dem im weiteren Sinne auch ein Baumstamm gezählt werden kann, wir durch die äußere Struktur vorgegeben. Das Innere ist überflüssig. Anschauliches Beispiel für dieses physikalische Prinzip sind Bohrinseln, die auf Röhren stehen, Windräder oder in der Natur Bambus, Schilf oder Strohhalme.  Und die Bäume wissen sich gegen Pilzbefall zu wehren: Sie wachsen einfach weiter in die Breite und verstärken somit ihre Basis.

Die Antwort der Stadt vom 30.August (Frank Licht) lautete hierzu:

 Ihr Verweis auf die statische Belastbarkeit von Rohrkörpern ist an dieser völlig richtig. Die Beurteilung der Standsicherheit eines erfolgt letztendlich auf diesen physikalischen Gegebenheiten.

Um dann einzuschränken:

 Aber auch jedes Rohr welches durch erheblichen Rostfraß beeinträchtigt wird, kann ab einer gewissen Restwandstärke die an ihr angebrachten Lasten oder deren Auswirkungen nicht mehr tragen.

Dazu nun aus der jüngsten Focus-Verlautbarung der Stadt von Freitag:

 Hierbei können in vereinfachter Darstellung die rot-orangen-gelben Flächen als pilzbefallene Holzbereiche angesehen werden. Die grünen (links) bzw. grauen Bereiche (rechts) zeigen die geringen Stammflächen, die noch zur gesicherten Standfestigkeit der Zeder beitragen:

Wer diese Kreise genauer betrachtet und die Radien ausmultipliziert, der stellt fest: Etwa die Hälfte der Querschnittsfläche, nämlich der äußere Teil, der den Baum trägt, ist dieser (städtischen!) Darstellung gesund. Lediglich der innere Bereich, der keinen Beitrag zur Stabilität leistet, ist befallen.

Abgesehen von der Festigkeit: Wie weit oder eng ist „Verkehrssicherungspflicht“?  Die Zeder steht abseits jeder Straße. Eine mögliche Fallrichtung ist durch die Neigung bereits vorgegeben. Hier würde die Sperrung eines Pfades an der Ostseite ausreichen, um jegliche Gefährdung für zufällig des Weges kommende Spaziergänger auszuschließen. – Auf diesen Aspekt geht der städtische FOCUS-Artikel mit keiner Silbe ein.

Leider hat die Zeder Pech: Obwohl allein auf weiter Flur, steht der alte Baum womöglich so manchem im Weg. Ehrgeizigen Planern, die sich mit eigenen gartenarchitektonischen Denkmälern verwirklichen wollen? Landschaftsbauern, die auf lukrative Aufträge hoffen?

Was können wir noch tun? Rechtlich ist kaum noch etwas auszurichten. Aber die Ratinger Bürger können der zum Tode verurteilten alten Zeder noch eine letzte Ehre erweisen: Einfach in den Park gehen. Dort wo die mächtige Krone der Zeder noch alles überragt. Und dort verharren im stillen Gedenken und Gebet für das todgeweihte Naturdenkmal.

Ich werde dort sein.

Beste Grüße

Bernd

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