Zwölfjährige von fünf Männern vergewaltigt

und aus dem Fenster geworfen. Die gute Nachricht: Das Mädchen hat überlebt. Die schlechte: Beim Aufprall hat sich die Kleine eine schmerzhafte Rückenverletzung zugezogen, die sie ihr Leben lang quälen wird.

Wir wissen, was ein solches Verbrechen in der Seele eines Kindes, einer heranwachsenden  Frau bewirkt. Die körperlichen Verletzungen mögen heilen, die seelischen Wunden bleiben für immer. Tiefsitzende Ängste und die unauslöschliche Erinnerung an das Durchlittene werden sie ein Leben lang wie ein düsterer Schatten verfolgen. Die Kindheit ist zerbrochen, ein unbeschwertes Dasein ist nicht mehr  möglich.

Das Verbrechen wurde nicht in diesen Tagen verübt. Es geschah vor ziemlich genau 75 Jahren, im Mai 1945. Der  Bundespräsident Richard von Weizäcker, dessen Familie prominente Positionen im NS-Staat bekleidete,  sollte den 8. Mai selbigen Jahres später zum „Tag der Befreiung“ deklarieren. Die kleine Hannelore, so hieß das Mädchen, wurde auf ihre Weise befreit. Nämlich von ihrer Jungfräulichkeit. Gegen ihren Willen, gewaltsam und brutal durch russische Soldaten. Niemand konnte ihr helfen. Aber warum warfen die Kerle das Mädchen, nachdem sie ihren Trieb an dem Kind  befriedigt hatten, noch aus dem Fenster? Vermutlich störte sie das Weinen der Kleinen. Und so schmissen sie es einfach weg wie ein Stück Abfall, das nicht mehr gebraucht wird.

Jahrzehnte später setzte Hannelore ihrem Leben ein Ende. Die Qualen, die Schmerzen waren übermächtig geworden. Die letzten Monate ihres Lebens verbrachte sie in absoluter Dunkelheit. Selbstbestimmt setzte sie ihrem Leiden ein Ende.

Sie haben es erraten: Bei dem Mädchen Hannelore handelte es sich um die spätere Frau des Politikers und Bundeskanzlers Helmut Kohl. An ihrer letzten Ausgabe widmete die „Welt am Sonntag“ ihrer  Biographie ganze vier volle Seiten.  Das furchtbare Erlebnis der Vergewaltigung wird gerade mal in zwei dürren Sätzen verschämt angedeutet:  „Sie erlebten die Schrecken der Kriegstage am eigenen Leib. Diese Erfahrungen und die traumatischen Erinnerungen an gewaltsame Übergriffe der russischen Soldaten ließen Hannerlore Kohl nie wieder los…“ .  Die davongetragene lebenslange schmerzhafte Behinderung wird erst gar nicht erwähnt.  Wie Nebensächlichkeiten, denen man keine Bedeutung zumessen soll.   Unten steht der ganze Artikel.

Die komplette, vollständige Passage mit der Vergewaltigung ist rot umrandet. – Ich frage mich: Was sind das für Menschen, die so zynisch ein Gewaltverbrechen an einem Mädchen wie eine Nebensächlichkeit derart geringschätzen?

Welt am Sonntag 26. April 2020