Von Derrick nichts Neues
Veröffentlicht: 14. Mai 2013 Abgelegt unter: Deutsche Geschichte, Leserbriefe an Rheinische Post | Tags: Derrick, Franz Schönhuber, Horst Tappert, Waffen-SS, ZDF Hinterlasse einen KommentarRemarque? Remarkable! Harry, hol schon mal die Uniform! So etwa hätte der Kommentar bei den englischen Royals lauten können. Wissen wir doch, daß die Queen gerne Krimis schaut und Ihr Enkel gerne mal in NS-Kostümierung auftritt.
Die Schlagzeile schlechthin: Horst Tappert alias Kommissar Derrick, verstorben im Jahre 2008, war tatsächlich bei der Waffen-SS. Kein Thema (außer Uli Hoeneß natürlich) bewegte mehr die Medien, schüttelte die deutsche Presselandschaft durch. Es war der Aufmacher schlechthin.
„Das ZDF ist von der Nachricht, daß Horst Tappert Mitglied der Waffen-SS war, überrascht und befremdet“, sagte Sprecher Peter Bogenschütz.
Und nun? Wie geht es weiter? Jetzt wollen wir alles wissen! In welchen Konzentrationslagern hat er die Opfer geschunden? Wie viele Juden hat er umgebracht? Bei welchen Massakern hatte er mit dem Maschinengewehr auf Menschen geballert? War er dabei in Oradour und Lidice und hat dort wehrlose Frauen und Kinder gemetzelt und verbrannt? Haben Holocaust-Überlebende ihn als ihren Peiniger erkannt? Wo und wann wurde er von Himmler für seine Schandtaten befördert, welche Orden und Ehrenzeichen hat er sich für sein verbrecherisches Tun an die Brust geheftet? Kannte er Günter Grass? Hat er sich schon als Hitlerjunge einen Dünkel als Herrenmensch zugelegt? Gibt es von ihm Reden, Aufsätze, Zeugnisse, die ihn als überzeugten Nazi überführen? Hat er sich seine faschistische Gesinnung bis zum Ende bewahrt und mit ins Grab genommen?
Nach all der Nachrichtenflut nun plötzlich Ebbe in den Gazetten. Die Rheinische Post treibt gerade mal ein altes Familienfoto mit seiner Frau von einem runden Geburtstag auf. Das niederländische Fernsehen setzt alte Derrick-Folgen ab. Erstaunlich, hatten unsere holländischen Nachbarn doch selbst 30.000 (in Worten Dreißigtausend !) Freiwillige bei der Waffen-SS. Das größte Auslandskontingent überhaupt. Prinz Bernhard der Niederlande ist dabei gar nicht mitgezählt. Der ist nämlich schon in den dreißiger Jahren aus der SS ausgetreten. Die Franzosen hatten hingegen nur 12.000 Mann beim „Orden unter dem Totenkopf“. Auch in Frankreich werden Tapperts Filmchen aus dem TV- Programm gestrichen. Unglaublich? Ja, so ist es.
Eigentlich könnten die Medien hierzulande diese Flaute ja dazu nutzen, das ahnungslose Publikum der Spätgeborenen mal darüber aufzuklären, welche Bewandtnis es mit der Waffen-SS und ihren Soldaten nun wirklich auf sich hatte. Nein, geschieht natürlich nicht, Fehlanzeige. Das wäre politisch inkorrekt. Die Rheinische Post meldet immerhin, daß 1943 250.000 Soldaten in dieser Uniform dienten. Tatsächlich waren es bis zum Kriegsende fast eine Million. Die meisten sind gefallen oder später in den Kriegsgefangenenlagern bei Amerikanern, Engländern und Franzosen umgekommen. Die Russen selbst machten mit SS-Angehörigen eh kurzen Prozess, da gab es keine Gefangenen. Etwas mehr Zeit nahmen sich die Tito-Partisanen, die ihre Opfer in der Regel gemartert haben, bevor diese umgebracht wurden. Beliebt waren Verstümmelungen wie das Ausstechen der Augen, Abschneiden von Ohren, Nase und anderen Extremitäten.
Wer sich über das Selbstverständnis der Waffen-SS informieren möchte, dem sei ein Buch empfohlen: Franz Schönhubers autobiographisches Werk aus dem Jahre 1981: „Ich war dabei“. Schönhuber, gleicher Jahrgang wie Horst Tappert, war ebenfalls wie Derrick ein Medienmensch im Rampenlicht. Aber nicht als Schauspieler, sondern als stellvertretender Intendant des Bayrischen Rundfunks. Eine Generation nach Kriegsende schrieb er sich seine Kriegserlebnisse als Soldat der Waffen-SS von der Seele. Frank und frei, unbefangen berichtet er über seine Empfindungen, Ängste, Hoffnungen, Erfahrungen, Enttäuschungen. Das Buch war damals ein Skandal. Schönhuber, der bis dahin nie einer Partei zugehörig war, flog in hohen Bogen aus allen Ämtern. Tabubruch, so schallte es ihm von Kollegen, Politikern, Gazetten, allen voran der Spiegel, entgegen. – Der Rest ist Geschichte.
Schönhubers Werk ist authentisch. In den letzten Jahren nicht mehr aufgelegt, ist es für kleines Geld überall antiquarisch erhältlich. Aber Vorsicht! Dieses Buch könnte historisches Wissen vertiefen, den geistigen Horizont erweitern und politisch inkorrekte neue Einsichten erschließen. Wollt Ihr das wirklich?
Euer Bernd