Skandal! Die Uranfässer der Rheinischen Post
Veröffentlicht: 27. August 2014 Abgelegt unter: Ökofundamentalismus, Leserbriefe an Rheinische Post Hinterlasse einen KommentarSchock! Schreckensnachricht auf Seite 1 der Rheinischen Post am 19. August: Uranfabrik lagert Atomfässer im Freien! 18.500 Tonnen kontaminiertes radioaktives Material unter freien Himmel! Als Beleg ein Foto: Da spazieren normale Bürger zwischen radioaktiven Fässern. Und weiter im Text: „Die Behälter halten einem Feuer von 800 Grad nur maximal eine halbe Stunde stand.. Nach Freisetzung entsteht Flusssäure, die Lungen verätzt und sogar Glas zerfrisst. Todesfälle…“ usw.
Die Nachricht schockiert und das ist auch so beabsichtigt. Journalismus lebt von Emotionen, besonders von Angst und Empörung. Und die Leser mögen das gerne. Schauernachrichten haben immer ein dankbares Publikum. Da wird auch gerne mal übertrieben. Seriosität und Wahrheit bleiben dann auf der Strecke.
In diesem Fall ist der ganze Artikel in der RP nichts weiter als horrender Blödsinn. Tut mir leid, ich kann das nicht vornehmer formulieren. Ein Skandal, daß die Rheinische Post einen solchen Schwachsinn überhaupt in Druck gehen lässt. Nicht nur, daß eigene Recherchen zum vermeintlichen Skandal fahrlässig unterblieben sind, die ganze Reportage grenzt derart an Volksverdummung, daß eine mutwillig böse Absicht dahinter stecken muß. Das fängt bereits mit der Illustration an, die nicht zum Text passt. Denn das Foto zeigt mitnichten besagte Uranfässer, sondern einfache Blechtonnen. Und in denen wurde auch nie radioaktives Material aufbewahrt. Stattdessen handelt es sich um schlichte Ölfässer, die von Antiatomaktivisten mit dem Gefahrgutkennzeichen für radioaktive Strahlung übermalt wurden.
Der Artikel erschien wortgleich auch in der Online-Ausgabe der RP:
Aus dem Text:
Auf dem Gelände der Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau nahe der Grenze zu den Niederlanden lagern nach Auskunft der Bundesregierung aktuell 18 510 Tonnen kontaminiertes radioaktives Material unter freiem Himmel. Die Zahl der mit hochgiftigem Uranhexafluorid gefüllten Fässer ist damit in den vergangenen 18 Monaten erheblich gestiegen: Ende 2012 waren es erst 6700 Tonnen…Von und nach Gronau finden zahlreiche Atomtransporte statt, die von der Öffentlichkeit bisher weitgehend übersehen wurden. Gronau ist vom Atomausstieg ausgenommen. ..“Uranhexafluorid ist ein hochgefährlicher ätzender und radioaktiver Stoff. Die Behälter halten einem Feuer von 800 Grad nur maximal eine halbe Stunde stand“, sagte Linken-Politiker Hubertus Zdebel. „Nach einer Freisetzung entsteht Flusssäure, die Lungen verätzt und sogar Glas zerfrisst. Todesfälle in vielen Hundert Metern Entfernung sind nicht ausgeschlossen.“
Allerdings wird in der Online-Version ein anderes Fass-Foto abgebildet:
Aber auch das ist eine vorsätzliche Täuschung. Denn tatsächlich wird besagtes Material in schweren Stahlzylindern mit einem Eigengewicht von über 2 Tonnen und einer massiven Wandstärke von 16mm Spezialstahl aufbewahrt:
Ein kleiner Unterschied!
Aber wenden wir uns weiter dem Text zu. Da heißt es: .. Tonnen radioaktiv kontaminiertes Material. Das ist sachlich falsch, denn bei dem „Material“ handelt es sich um abgereichertes Natururan, das nie mit einer künstlichen Strahlenquelle in Berührung kam und somit auch nicht kontaminiert (neudeutsches Wort für verschmutzt) sein kann. Natururan hat, wie schon der Name sagt, nichts weiter als seine natürliche Radioaktivität. Und abgereichertes Uran sogar noch weniger. Und die ist denkbar gering: Nach über 4 Milliarden Jahren ist immer noch die Hälfte davon da. (Nebenbei bemerkt: Uran ist ein Spurenelement in vielen Gesteinen. Eine übliche Küchenplatte aus Granit enthält etwa ein halbes Gramm dieses Elements. Man schätzt, daß ein Mensch täglich etwa ein Mikrogramm Uran über seine Nahrung aufnimmt.)
Eine weitere Falschmeldung im gleichen Artikel: Da ist vom radioaktiven Müll die Rede. Abgereichertes Uran ist kein Müll, sondern wegen seines hohen Gewichtes und Festigkeit ein begehrtes Material für viele Einsatzzwecke. Die bekannteste Verwendung ist die für Panzer- und Bunkerbrechende Munition. Auch für Ballastkiele von Hochleistungsyachten und als Strahlenschutzmäntel ( ganz richtig verstanden: Strahlenschutzummantelungen) kommt dieses Metall zur Verwendung. Aus den Originaltext der Bundestagsdrucksache: URENCO als Betreiberfirma der UAG betrachtet das bei der Urananreicherung entstehende abgereicherte Uran (Tails) nicht als radioaktiven Abfall, sondern als Reststoff, der weiter verwertet werden kann.
Eine weitere Irreführung: „Von und nach Gronau finden zahlreiche Atomtransporte statt“. Nun ja, aus Atomen bestehen wir alle. Gemeint ist wohl verstrahltes Material. Richtig ist aber: In Gronau wird kein künstlich radioaktives Material gelagert, verwendet oder transportiert. Das in Gronau verarbeitete Uran hat noch keinen Reaktor von innen gesehen.
Und die Festigkeit der „Fässer“? Eine klare Verdrehung der Tatsachen. Denn nach der Norm (ANSI N14.1 oder ISO 7195) müssen die Behälter mindestens eine halbe Stunde lang einem Feuer von mindestens achthundert Grad widerstehen. Das wird regelmäßig alle fünf Jahre überprüft. Ein klares Qualitätsmerkmal. Und wie schreibt die RP ab: „Die Behälter (oha, keine Fässer mehr?) halten maximal 30 Minuten stand.“
Aber wie entstand denn nun die ganze Horror-Story? Das ist einfach in ein paar Worten erklärt. Die Opposition auf Bundes- sowie Landesebene sucht krampfhaft nach Themen um sich zu profilieren. Und so richten die Piraten im Sommer 2013 eine „Kleine Anfrage“ an die rot-grüne NRW-Regierung. Auskunftsbegehren sowie Antwort sind hier veröffentlicht:
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-3904.pdf?von=1&bis=0
Quintessenz der Antwort des grünen (!) Umweltministers: Im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung der Urananreicherungsanlage Gronau nach § 19a Abs. 3 AtG sind aus den Ergebnissen der von den Sachverständigen der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde im März vorgelegten Stellungnahmen keine Erfordernisse atomaufsichtlichen Handelns zur Abwehr von Gefahren oder zur Einstellung des Betriebes der Anlage erkennbar.
Sollte eigentlich reichen. Aber nun versucht die Linke-Bundestagsfraktion ihrerseits aus dem Thema politisches Kapital zu schlagen und richtet mehrere im Kern fast gleichlautende und inhaltlich eher belanglose Anfragen an die Bundesregierung. In den nachfolgenden Links ist die Antwort der Regierung gleich mitgeliefert.
So am 30.April 2013:
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/17/135/1713598.pdf
Und im März 2014:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/012/1801267.pdf
Und dann wieder im Mai 2014:
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/017/1801726.pdf
Und im August 2014:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/023/1802362.pdf
Wer sich die Mühe macht, sich durch die gebetsmühlenhaften Wiederholungen der Linken und die regierungsamtlichen Antworten hindurchzuarbeiten, wird nicht skandalträchtiges finden, statt dessen ab und zu amüsantes. So fragt die Linke im Mai allen Ernstes:
Wie viele Tonnen U308 lassen sich durch die Dekonversion aus 1 Tonne UF6 gewinnen? Welche Nebenprodukte entstehen dabei in welcher Menge?
Hier haben offenbar die Antragsteller ihre eigene Frage nicht verstanden. Denn statt U308 muß es chemisch korrekt U3O8heißen. Und jeder aufgeweckte Chemie-Schüler der Sekundarstufe I, der den Umgang mit Summenformeln gelernt hat, kann die richtige Antwort liefern. Hierzu braucht es keine Bundesregierung. Die macht sich trotzdem Mühe, in ihrer Antwort an die Linksfraktion den erbetenen naturwissenschaftlichen Nachhilfeunterricht zu erteilen:
UF6 wird normalerweise zunächst unter Zugabe von Wasserdampf durch Hydrolyse in festes Uranylfluorid (UO2F2) umgewandelt und dann unter Zugabe von Wasserstoff in U3O8 überführt. Bei der Dekonversion von einer Tonne UF6 entstehen 797 kg U3O8, als Nebenprodukt fallen bei dieser Reaktion 342 kg Fluorwasserstoff (HF) an.
Fazit: Auf parlamentarischer Ebene hat die Linke nichts erreicht, im Gegenteil. Denn in der regierungsamtlichen Antwort heißt es wörtlich: Diese Untersuchungen haben das geforderte Sicherheitsniveau der Anlage bestätigt.
Jetzt haben sie sich unsere Linken schon so viel Mühe gegeben und dennoch: Fehlanzeige! Außer Spesen nix gewesen. Aber so leicht geben die propagandistisch geschulten SED-Nachfolger nicht auf. Und so wird denn aus ein paar heraus gepflückten Zutaten eine neue Skandal-Suppe angekocht. Verständlich, daß linkslastige Revolverblätter wie die taz so eine Story gerne aufgreifen. Daß indessen ein eher bürgerlich orientiertes Blatt wie die Rheinische Post auf diesen Unsinn hereinfällt und ihn obendrein an prominenter Stelle auf Seite 1 weiterverbreitet: Das ist der eigentliche Skandal.