Deutsche Dachdecker schießen auf Schutzsuchende

mit Nagelpistolen! Schock! Schlimmer geht’s nimmer! Gab es Tote? Schwerverletzte?   Oder war das Ganze nur wieder eine Finte von Paul Panzer?

Die Rheinische Post hatte am 5. August diese verstörende Meldung online und am Tag darauf in der Print-Ausgabe  veröffentlicht:

dachdecker

 

Und hier der offizielle Polizeibericht vom Tag zuvor mit dem Titel:

POL-KA: (KA)Bruchsal-Heidelsheim – Unzufriedene Asylbewerber blockierten Fahrbahn – Polizei ermittelt

http://www.presseportal.de/blaulicht/pm/110972/3395976

Hier der Text:

Offenbar um ihren Unmut über die Verlegung in eine andere Unterkunft kundzutun, rannten am Mittwochabend zwei noch unbekannte Asylbewerber vom Rastplatz der Bundesstraße 35 bei Heidelsheim auf die Straße und setzten sich vor herannahende Autos. In der Folge schaukelten sich die Gemüter hoch und es drohte eine Auseinandersetzung mit Nagelschussgeräten, Eisenstangen und Kanthölzern.

Nach Angaben eines Zeugen mussten die Fahrer zweier Pkw gegen 21.00 Uhr zur Verhinderung von Unfällen eine Vollbremsung durchführen, als zwei Männer vom Parkplatz her unvermittelt auf die Straße rannten. Beide Personen ließen sich anschließend zur Sitzblockade nieder und verhinderten gleichzeitig auch die Durchfahrt des Gegenverkehrs. Drei Insassen eines der blockierten Autos seien daraufhin ausgestiegen und auf die beiden Männer zugegangen. Hierauf wären die Personen zum Parkplatz zurück, hätten sich mit Kanthölzern bewaffnet und seien mit Verstärkung von rund 25 Unterstützern zurückgekehrt.

Die drei Fahrzeuginsassen, allesamt Handwerker, haben daraufhin den Ermittlungen zufolge ihren Kofferraum geöffnet und sich ihrerseits mit Eisenstangen und Nagelschussgeräten ausgestattet. Mit den gasbetriebenen Schussapparaten sollen sie dann in Richtung der Flüchtlingsgruppe geschossen haben. Beide Lager hätten sich anschließend entfernt. Personen kamen offenbar nicht zu Schaden.

Umgehend nach Alarmierung zog die Polizei ihre Kräfte zusammen. Gut 20 der vorwiegend aus Syrien, dem Irak und Eritrea stammenden Flüchtlinge waren am Parkplatz der Raststätte anzutreffen. Dort konnten auch Holzstöcke sichergestellt werden.

Der Pkw mit den drei Handwerkern konnte im Zuge der Fahndungsmaßnahmen von Streifen des Polizeireviers Philippsburg und Germersheim nahe der Rheinbrücke auf Pfälzer Seite festgestellt und angehalten werden. Bei der Nachschau stellten die Beamten auch die offenbar eingesetzten Nagelschussgeräte sicher. Die Insassen sind 33, 36 und 50 Jahre alt, in Rheinland-Pfalz ansässig und gehen dem Dachdeckergewerbe nach.

Bei der Prüfung der Schussapparate stellte sich heraus, dass aufgrund der vorhandenen Sicherungseinrichtungen das Abschießen von Nägeln nur mit entsprechendem Gegendruck einer Unterlage funktioniert. Weitere Ermittlungen, so auch zu den Blockierern, dauern derzeit noch an.

Bereits am Mittwochnachmittag war es gegen 12.50 Uhr auf dem Gehweg der Gemeinschaftsunterkunft Oberhausen-Rheinhausen zu einer Sitzblockade von 53 Asylbewerbern gekommen. Die Flüchtlinge äußerten auf diese Weise friedlich ihren Unmut über die Verlegung von der inzwischen geschlossenen Unterkunft in Heidelsheim nach Oberhausen-Rheinhausen. – Ende des Polizeiberichts.

Ach so war das! Interessant dazu die online-Kommentare der Leser der Rheinischen Post. Erstaunlich, denn üblicherweise ist bei Meldungen, die in irgendeiner Weise Flüchtlinge, Migranten, Asylanten oder, wie es neuerdings heißt: „Schutzsuchende“,  thematisieren, die Kommentarfunktion abgeschaltet. Hier eine Auswahl in chronologischer Reihenfolge:

Deffe: Hätte der Titel nicht eher lauten sollen „27 Asylbewerber greifen Autofahrer mit Kanthölzern an“ ?! Die vorangegangenen schweren Straftaten durch die beiden Asylbewerber (gefährlicher Eingriff in den Strassenverkehr, Nötigung) werden wieder mal einfach unter den Tisch gekehrt und der dumme Deutsche (das „Pack“), der sich seiner Haut wehren will, ist der Übeltäter…

PeterHauser: Liebe RPO!  Ihre Überschrift ist schlicht und einfach FALSCH und befindet sich auf dem Niveau der Zeitung die sich angeblich für BILDung einsetzt. Wie auch aus dem Artikel hervorgeht wurde mitnichten mit der Nagelpistole auf die Flüchtlinge geschossen. Dies ist nur bei entsprechenden Gegendruck möglich. Also wurde höchstens mit dem Gerät gedroht. Welches Bild soll denn wieder mit der Überschrift suggeriert werden?

Harzi: Ähm…. die Meldung stimmt so NICHT!  Die von ihnen gemeldeten Nagelschußapparate waren gar nicht in der Lage, auf die von ihnen beschrieben Art und Weise eingesetzt zu werden. Demnach wurde NICHT geschossen damit. Dieses wurde im Übrigen durch die anschließende Polizeikontrolle des Dachdeckerfahrzeugs ermittelt und so auch von der Polizei bestätigt. – Demnach ist dieser Artikel incl. der reißerischen Überschrift im für sie günstigsten Fall einfach schlampig recherchiert, ansonsten müssten man von der mutwilligen Verbreitung von falschen Tatsachen ausgehen.

exminer: Was bitte soll diese Meldung? „Dachdecker schießen mit Nagelpistolen“. Selbst wenn sie wollten ginge das nicht ohne ein Umbau der Sicherung. Genau diese Halbwahrheiten sorgen dafür, daß die Medien tagtäglich mehr von ihrer Glaubwürdigkeit einbüßen, bis sie auf dem Niveau der Phantasielektüre angekommen sind. Und wer in der glücklichen Lage ist mehr als nur die weichgespülte Waschmittelreklame konsumieren zu können, erkennt sehr schnell die Indoktrinationsversuche incl. der Lenkungsfunktion unserer „Qualitätsmedien“. Die Frage die sich daraus ergibt, müssen diese so arbeiten oder steht da ein voreilender Gehorsam ins Haus, denn so erlangt das „Unwort“ wieder einmal seine Berechtigung und denn es beschreibt die Realität, denn wenn bei solchen durchsichtigen Vorgängen schon so offensichtlich getrickst wird, was ist mit den komplizierteren Abläufen zu denen es keine simplen Erklärungen gibt. Journalismus kommt von Journal und nicht vom Märchen komponieren.

LordDeWorde: Soso… …“bewaffneten sich mit Kanthölzern und kamen mit Verstärkung von rund 25 Unterstützern zurück.“ In Deutschland liegen also auf Parkplätzen einfach so Kanthölzer griffbereit herum…

XXL30: Wegen “ gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr“ hätte jeder Deutsche jetzt eine Anzeige am Hals. Bitte berichten sie, wie die Sache weiterging.

Rainer49: Mit diesen Geräten habe ich auch schon gearbeitet, die Sicherungseinrichtung ist ein Drehkontakt, der erst beim Aufsatz frei gibt, und dann muss noch entsprechender Gegendruck auf die Platte gebracht werden. Von Hand damit gezielt zu schießen, erscheint mir ausgeschlossen – eine Manipulation einer Sicherung wäre hinterher erkennbar. Also sollte die Überschrift (Dachdecker schießen mit Nagelpistolen) – da wahrscheinlich Falschmeldung – korrigiert werden.

(Anmerkung: Kurz danach wurde die Überschrift in der RP von „schießen“ auf „zielen“  korrigiert)

nursoweiter: Danke liebe RP für die reißerische Headline. Genauso gut hätten Sie allerdings schreiben können: „Asylbewerber blockieren rechtswidrig die B35 – 3 Dachdecker setzen sich anschließend gegen 27 teilweise mit 4-Kanthölzern ausgestatteten Asylanten erfolgreich zur Wehr“. Das hätte es genauer getroffen, wäre aber vermutlich zu lang und würde die Dachdecker nicht blöd da stehen.  – Dass sich die Asylanten bedroht fühlten, stand übrigens nicht im Polizeibericht. Vielleicht wollten die Dachdecker ja nach einem langen Arbeitstag einfach nur nach Hause. Schließlich müssen sie ja am nächsten Tag wieder raus, um Geld zu verdienen, das sie an den Staat abdrücken können. Wer weiß das schon …

SoIsses: „Asylbewerber blockieren Straße – Dachdecker schießen mit Nagelpistolen“  Liebe RP, wieso suggerieren Sie mit dieser reißerischen Überschrift, dass Asylbewerber von Deutschen(?) vorsätzlich beschossen wurden, wenn Sie am Ende des Artikels klarstellen, dass dies aus technischen Gründen gar nicht möglich war? Zudem haben sich die 3 Handwerker zunächst unbewaffnet den Asylbewerbern genähert. Was nachvollziehbar ist, nachdem die diese die Straße blockierten und durch ihr Verhalten auch – wie man lesen konnte – Verletzte oder gar Tote in Kauf genommen haben. Erst nachdem die Asylbewerber mit (25!) bewaffneten „Unterstützern“ zurückkehrten, haben sich auch die (3) Handwerker im Rahmen ihrer Möglichkeiten bewaffnet. Für mich in solch einer Situation übrigens sehr gut nachvollziehbar (Notwehr) und auch verhältnismäßig. Es hätte ja vielleicht noch gut gepasst, wenn die 3 betrunken gewesen und einen rechtsextremistischen Hintergrund gehabt hätten. Vielleicht einfach mal objektiv berichten, statt mit solchen Überschriften Stimmung zu machen.

Nun ja, wo so leicht gibt sich die Redaktion der RP nicht geschlagen. In einem Nachtrag zum Artikel wird spekuliert, ob denn die bösen Dachdecker nicht am Ende doch noch ihre Schussgeräte hätten scharfmachen können:

Druckluft

Das provoziert nun den Widerspruch weiterer Kommentatoren:

securit78„…Nachtrag der Redaktion: Die Auslösesicherung der Druckluftnagelpistolen kann deaktiviert werden, wodurch mit ihnen durchaus geschossen werden kann, bestätigt uns Katja Schmidt von der Firma Prebena. Wie genau dies im konkreten Fall abgelaufen ist, lässt sich abschließend noch nicht sagen….“ Wieso ist? In diesem Fall wohl nicht. Der Nachtrag macht es nicht besser. Einfach in den Polizeibericht schauen. Hat irgendjemand den Schlüssel des Redaktionsgebäudes gefunden oder hat diesen Artikel tatsächlich jemand verfasst der dafür eine Bezahlung beansprucht? Wenn ja, dann kündige ich ab sofort das Dauerabo für meine Firma. Jetzt reicht es!

wasichnochsagenwollte: Liebe Redaktion. Ich sehe das Bemühen immerhin der Wahrheit ein bisschen näher zu rücken. Nunmehr ist zumindest in der Überschrift nicht mehr geschossen worden. Aber so ganz will man anscheinend doch trotzig Recht behalten. Man könne mit Nagelpistolen ja durchaus schießen, wenn man diese manipuliert. Ah jetzt ja. Ich glaube man kann mit fast allem schießen oder Gewalt ausüben, wenn man das entsprechend manipuliert. Aber was soll diese Aussage für die Geschichte? Gehen Sie allen Ernstes davon aus, dass Dachdecker von der Arbeit kommend, in Erwartung von einer bewaffneten Gruppe angegriffen zu werden, sich schon mal mit vorsorglich manipulierten Nagelschußgeräten ausgerüstet zu haben? Da juristisch auch der „beschuhte Fuß“ eine Waffe darstellen kann, könnten sie ebenso schreiben, die Dachdecker hätten als Waffen einsetzbare Schuhe getragen, als sie auf die Angreifer zugegangen sind. Sorry, die Story kriegen sie nicht mehr hin, auch wenn es jetzt „zielen“ heißt. Wie wär’s mal mit einem journalistischen „Sagen was ist“ statt „Sagen was gerne sein soll“. Hat die RP mal ausgezeichnet.

Lassen wir es bei dieser Auswahl. Sämtliche Kommentare sind hier: http://www.rp-online.de/panorama/deutschland/in-bruchsal-zielen-dachdecker-mit-nagelschussgeraeten-auf-asylbewerber-aid-1.6164402 nachzulesen. Einfach sortieren mit: „Älteste Kommentare zuerst„.

An einer Interpretation der RP-Nachricht versucht sich auch dieser Blog: https://diskurskorrekt.wordpress.com/2016/08/05/vom-zielen-und-schiessen/

Ich möchte gerne wissen, wie die Geschichte weitergeht. So schreibe ich an die Pressestelle der Polizei und stelle diese Fragen:

  1. Sind die Ermittlungen inzwischen abgeschlossen?
  2. Wurde neben den Dachdeckern gegen weitere Inländer ermittelt?
  3. Wurden Anzeigen erstattet?
  4. Wenn ja, von wem und gegen wen?
  5. Gibt es weitere amtliche Veröffentlichungen zu dem Vorfall?
  6. Ist die Staatsanwaltschaft inzwischen tätig geworden?
  7. Gibt es Bildmaterial zu dem Vorfall, das freigegen ist?
  8. Wird dieser Vorfall in irgendeiner Weise die Kriminalstatistik eingehen?
  9. Falls ja, mit welchen Delikten und welcher Anzahl von Verdächtigen?

Für die Beantwortung der Fragen oder einen Hinweis, wo ich die Antworten finde, danke ich ganz herzlich im Voraus.

Die Antwort kommt postwendend:

Sehr geehrter Herr Ulrich,
 grundsätzlich sind wir nur gegenüber der Presse zur Auskunft verpflichtet, sofern keine Verweigerungsgründe (etwa die Gefährdung eines schwebenden Verfahrens etc.) entgegenstehen.
 Wir bitten daher um entsprechende Autorisierung durch Vorlage eines Presseausweises und bitten um Ihr Verständnis dafür.
 Mit freundlichen Grüßen
 Ralf Minet
Polizeipräsidium Karlsruhe
Pressestelle / Öffentlichkeitsarbeit
Durlacher Allee 31 – 33
76131 Karlsruhe

Schade. Als privater Blogger kann ich leider nicht mit einem Presseausweis dienen. Und ich habe wenig Hoffnung, aus unseren Qualitätsmedien künftig weiterhin über den Fall unterrichtet zu werden.

Eins interessiert mich noch: Wessen Geistes Kind schreibt eigentlich solche Zeitungsartikel, welches Gesicht verbirgt sich dahinter? Im Originaltext findet sich weder im Print noch im Online ein Hinweis auf den Autor,  lediglich der Redaktionsnachtrag ist mit felt signiert. Das Impressum der RP gibt Auskunft.

Aha, Meister Proper. Ein Saubermann in einer sauberen Gesellschaft.

http://www.rp-online.de/leben/gesundheit/fitness/tipps-von-personal-trainer-uwe-felten/

 

 



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