Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Veröffentlicht: 16. Oktober 2012 Abgelegt unter: Deutsche Geschichte Hinterlasse einen KommentarDie Würde des Menschen ist unantastbar. So beginnt unser Grundgesetz. Aber wie halten wir es mit der Würde unserer Väter und Großväter? Dann, wenn sie sich wegen Alters und Gebrechlichkeit nicht mehr wehren können? Oder bereits für immer verstummt sind? Schützen wir sie gegen Verleumdung, üble Nachrede und das Ehrabschneiden? Ist es nicht unsere Pflicht, ihre angetastete Würde zu verteidigen?
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Kein Artikel unseres Grundgesetztes wird so oft zitiert und ist gleichzeitig so unbestimmt. Was ist Würde? Wann beginnt und wann endet das „Menschsein“? Ist eine Definition durch das rein organische Funktionieren zulässig? Und was verstehen wir unter „unantastbar“? – Das Thema ist weitgespannt. Ich will mich im Folgenden lediglich der Würde derjenigen widmen, die nicht mehr unter uns Lebenden sind.
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Es ist das Merkmal jeder großen Kultur, nicht nur die Lebenden zu schützen sondern auch die Ahnen zu ehren. Juden, Christen, Buddhisten, Moslems und selbst Naturvölker haben hierfür Sitten und Gebräuche gefunden die nicht nur einer überlieferten Tradition, sondern einem tiefen inneren Bewusstsein entspringen. Die Art und Weise, wie dabei mit den sterblichen Überresten verfahren wird, ist dabei ganz spezifisch und nur ein kleiner Teil des Ganzen.
In unserer christlich geprägten Kultur gibt es spezielle Kalendarien des Memento Mori: Allerheiligen, Allerseelen, Totensonntag, Volkstrauertag, in früherer Zeit auch als „Heldengedenktag“ apostrophiert. In jedem kleinen Dorf, aus allen großen Stadtgemeinden kennen wir die Mahnmale für die Gefallenen der Weltkriege. Jeder einzelne genannt mit vollem Namen, Dienstgrad, Geburts- und Sterbedatum. Das soll uns mahnen gegen das Vergessen: Die dort starben für uns. Manche als Kriegsfreiwillige, manche als Dienstverpflichtete. Viele im guten Glauben, manche zweifelnd. Manche starben schnell, viele qualvoll. Verbrennend, erstickend, ertrinkend, verstümmelt, verblutend.
Und es gab die Überlebenden, die Veteranen. Sie hatten ihre Kameraden fallen sehen, selbst die Schrecken des Krieges überlebt, oftmals verwundet an Leib und Seele, einige für immer verkrüppelt oder durch lange Gefangenschaft zerbrochen. Und sie mussten erfahren, daß ihr Land nicht nur den Krieg, sondern auch seine Ehre verloren hatte. Daß sie kämpften unter einer Führung, für die das Attribut „Verbrecherbande“ noch das harmloseste war.
Einige mögen sich selbst schuldig gemacht haben; hätten mörderische Befehle, die erkennbar dem Kriegsrecht zuwider liefen, sabotieren können. Die Wirklichkeit kennt nicht nur die Farben Schwarz und Weiß, sondern auch viele Grautöne.
Den Nachgeborenen in diesem Land blieben die Erfahrungen und Anfechtungen der Kriegszeit erspart. Trotzdem maßen sich viele, denen die Gnade der späten Geburt zuteilwurde, aus Unwissenheit, bruchstückhafter Belehrungen oder Nicht-Wissen-Wollen ein leichtfertiges Urteil an. Das Verdikt trifft insbesondere die Soldaten in der schwarzen Uniform der Waffen-SS, die fälschlicherweise zu oft mit KZ-Schergen in einen Topf geworfen werden.
Zu unserer Erinnerung: Am 3. Dezember 1952 gab Bundeskanzler Konrad Adenauer vor dem Deutschen Bundestag die Erklärung ab:
„Wir möchten heute vor diesem Hohen Haus im Namen der Regierungen erklären, daß wir alle Waffenträger unseres Volkes, die im Rahmen der hohen soldatischen Überlieferungen ehrenhaft zu Lande, zu Wasser und in der Luft gekämpft haben, anerkennen. Wir sind überzeugt, daß der gute Ruf und die große Leistung des deutschen Soldaten trotz aller Schmähungen während der vergangenen Jahre in unserem Volk noch lebendig geblieben sind und auch bleiben werden. Es muß auch gemeinsame Aufgabe sein, und ich bin sicher, wir werden sie lösen, die sittlichen Werte des deutschen Soldatentums mit der Demokratie zu verschmelzen.“
Weiter führt Adenauer aus in einem Brief vom 17. Dezember 1952:
„… Einer Anregung nachkommend, teile ich mit, daß die von mir in meiner Rede am 3. Dezember 1952 vor dem Deutschen Bundestag abgegebene Erklärung für Soldaten der früheren deutschen Wehrmacht auch die Angehörigen der Waffen-SS umfasst, soweit sie ausschließlich als Soldaten ehrenvoll für Deutschland gekämpft haben.“
In diesen Tagen, fast 60 Jahre nach diesen Worten des ersten Kanzlers dieser Republik, verhängt ein deutsches Gericht eine Gefängnisstrafe wegen dieses Satzes:
Wir verneigen uns auch vor den tapferen Soldaten der deutschen Wehrmacht, des Heeres, der Luftwaffe, der Marine und der Waffen-SS, die bis zum letzten Tag ihrer Pflicht nachgekommen sind.
Gleichgültig von wem, vor welchem Publikum, wann und zu welchem Anlass dieser Ausspruch getan wurde: Wenn dieses Urteil weiterhin Bestand hat, dann ist es für unser Land ein Armutszeugnis. Kein Ausweis der pekuniären Armut. Sondern der Armseligkeit.
Die Würde des Menschen ist unantastbar.