Martins Kampf
Veröffentlicht: 11. Februar 2014 Abgelegt unter: Leserbriefe an die FAZ, Obrigkeitsstaat und Absurdistan | Tags: Big Data, Martin Schulz Hinterlasse einen KommentarMartin ruft zum Kampf auf. Ganzseitig in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Martin wer? Martin Schulz, deutscher Sozialdemokrat und derzeitiger Präsident des Europa-Parlamentes in Brüssel mit Ambitionen auf das Amt des Kommissionspräsidenten.
Martin Schulz bläst zum Kreuzzug gegen die bösen internationalen Internetkonzerne und Geheimdienste. Nun ist es allzu verständlich, daß ein gelernter Buchhändler seine mentalen Probleme mit elektronischen Medien hat. Aber Vorsicht, wir Deutschen kennen ja das Schema: Erst wird ein Feindbild geschaffen und Propaganda gemacht. Und dann zieht man in den Krieg. Mit den bekannten Folgen.
Martin Schulz greift tief in die geschichtliche Klamottenkiste: Er stellt den Kampf gegen die angeblich allmächtigen und bösen Internetkonzerne auf eine Stufe mit dem historischen Ringen zwischen Kapitalismus und Sozialismus im 19. Jahrhundert. Soziale Bewegungen hätten den bösen Kapitalismus gezähmt und humanisiert. Lassen wir ihn in dem Glauben. Sein Fazit aus der geschichtlichen Erfahrung lautet: Gleichermaßen müssen nun Facebook, Google und Co reglementiert werden. Denn deren Datensammelei degradiere uns Menschen zu „Wirtschaftsobjekten“. Aha. Big Data auf einer Stufe mit Hunger und Ausbeutung.
Die Deutschen zeichnen sich aus als Bedenkenträger. Martin macht da keine Ausnahme. Er übersieht die Chancen des Word-Wide-Web, seinen hervorragen Anteil zu Partizipation und Kommunikation aller Menschen rund um den Globus, egal ob in New York oder Timbuktu. Informationen und Nachrichten, der Austausch über soziale Netzwerke sind überall möglich, sofern der Zugang nicht künstlich beschränkt wird. Suchmaschinen erleichtern die Auffinden jedes gewünschten Informationsschnipsels. Nicht umsonst sind es die diktatorischen Regime, die den Internet-Zugang verbieten oder reglementieren. In Kuba und Nordkorea gibt es kein Internet für Privatleute, in China und anderen repressiven Staaten ist der Zugang mächtig eingeschränkt. Stattdessen sorgt sich Martin, daß der Facebook-Nutzer nur noch die Werbung sieht, die seinen Profil entspricht.
Na und? Ich bin über sechzig und männlich. Für mich persönlich benötige ich keine Werbung für Damenbinden oder Getränke, die angeblich Flügel verleihen. Wenn ich mir das trotzdem antun will, dann brauche ich nur das Vorabendprogramm der öffentlich rechtlichen Fernsehsender oder das Nachtprogramm der Privaten einzuschalten. Im Übrigen kann ich, falls mich die Datensammelei von Google oder Amazon stört, bequem ausweichen: Ich kaufe beim Buchhändler um die Ecke, bezahle bar und nutze zum Nachschlagen ein klassisches Lexikon.
Als EU-Politiker denkt Martin paternalistisch: Es wurmt die regulierungswütigen Eurokraten, daß die vorwiegend amerikanischen Internetkonzerne sich bis dato weitgehend der Kontrolle entziehen. Das geht zum einen gegen Ehre und Selbstverständnis der von Amts wegen besorgten Politiker. Zum anderen könnte man mit weiteren Institutionen und Behörden zur Überwachung des World-Wide-Web schöne neue hochdotierte Posten für verdiente Parteigänger in Brüssel schaffen. Und somit beitragen zur Arbeitsplatzsicherung und Beschäftigung der Bürokratie.
Und so werden denn fleißig Schreckensbilder gemalt: Die über uns gesammelten Daten kommen in böse Hände. Es kommt zu einem freiheitlichen Rückschritt durch „enthemmte Geheimdienste“. Die „alles durchdringende Technologie“ führe zu einem „totalitären politischen Willen“.
Mit Verlaub: Da geht unserem Martin die Phantasie durch. Mit der gleichen Logik könnte man in Amtstuben wieder die Zettelkästen und Karteikarten aus dem letzten Jahrtausend einführen. Und dem Staat verbieten, seine Polizisten und Soldaten zu bewaffnen. Denn die können in einem totalitären Regime auch gegen die eigene Bevölkerung angesetzt werden.
Vor einigen Jahrzehnten, als der jugendliche Martin Schulz seine Sozialisation erfahren hat, da lautete eine beliebte Parole der Friedensbewegung: „Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.“ Wir sollten Martin in den Krieg ziehen lassen. Aber bitteschön alleine. Ohne uns und unsere Steuergelder.
Euer Bernd