Hasspropaganda: Der Krieg der Bilder
Veröffentlicht: 18. Februar 2014 Abgelegt unter: Deutsche Geschichte, Leserbriefe an Rheinische Post | Tags: Kitsch und Propaganda, Lothar Schröder Rheinische Post Hinterlasse einen KommentarAm 11. Februar 2014 brachte die Rheinische Post im Rahmen ihrer Reportagen zum „Jubiläumsjahr“ des Ersten Weltkriegs einen ganzseitigen Artikel von Dr. Lothar Schröder mit dem Titel: „Kitsch und Propaganda – der Krieg der Bilder“. Dieser Bericht war ausschließlich auf die deutsche Weltkriegspropaganda abgestellt. Zitat: „Sie waren mit ihrer Kriegshetze und gefährlichen Klischees ein schleichendes, langwirkendes Gift auch für nachfolgende Generationen, die sie Jahre später in den Händen hielten und die dadurch empfänglich wurden für neue, menschenverachtende Ideologien. Die Propaganda des Ersten Weltkriegs hatte mit diesen Botschaften radikalnationalistische Ideen in die Welt gesetzt, die in den Köpfen vieler Menschen weiter verhängnisvoll arbeiteten.“
Der nachfolgende Leserbrief sollte die Redaktion zu einer Fortsetzung des Themas animieren.
Der originale Text der RP findet sich hier: http://www.rp-online.de/panorama/wissen/kitsch-und-propaganda-der-krieg-der-bilder-aid-1.4026505
Sehr geehrter Herr Dr. Schröder,
zunächst Dank und Glückwunsch für das Redaktionsteam der Rheinischen Post für die Artikelserie anlässlich des einhundertsten Jahrestages des Weltkriegsausbruchs 1914. Angesichts mangelhafter Geschichtskenntnisse heutiger Generationen ist diese Art von Nachhilfeunterricht ein ehrenwertes Unterfangen; zumal das Interesse und Wissen insbesondere bei den Jüngeren bestenfalls rudimentär ist.
Gestatten Sie mir, Herr Dr. Schröder, eine Anmerkung zu Ihrem Beitrag vom 11. Februar: Kitsch und Propaganda – der Krieg der Bilder. Die Illustrationen und Beispiele Ihres Textes, der ausschließlich auf deutsche Kriegspropaganda während des Weltkrieges abhebt, wirken eher kitschig und komisch. Die implizite und auch so beabsichtigte Botschaft lautete damals: Diese Gegner sind nicht ernst zu nehmen. Es gab indessen noch eine ganz andere Art der psychologischen Kriegsführung, nämlich die Hasspropaganda. – Ich wünsche mir, daß in einer der künftigen Ausgaben der RP zu dieser Artikelserie auch diesem Aspekt der Diffamierung des Gegners Rechnung getragen wird.
Hasspropaganda zeichnet sich dadurch aus, daß dem Gegner menschliche Eigenschaften aberkannt werden, er wird zum Scheusal, das es mit aller Macht zu bekämpfen gilt. Eindrucksvolle Bilder und Geschichten von zumeist frei erfundenen Kriegsverbrechen bewirken eine starke Emotionalisierung beim Betrachter.
Hasspropaganda ist insbesondere dort notwendig, wo das Volk erst zum Kampf mobilisiert werden muß. Im Deutschen Reich von 1914 war diese Art von „Motivation“ nicht notwendig, denn die allgemeine Gefühlslage war die der Notwehr in einem aufgezwungenen Krieg. Ähnliches galt für Frankreich, das aus einem starken Nationalismus heraus die Gelegenheit einer Revanche für die Schmach der Niederlage von 1871 sah.
Ganz anders hingegen in England und den USA: Dort war es dem Volk, seinen Soldaten und den Matrosen nicht unmittelbar einsichtig, in den Krieg gegen Deutschland ziehen zu müssen. Und so wurde das Bild von bösen Deutschen, die kleine Kinder mit Bajonetten aufspießen, rauben, morden, brandschatzen und schänden, geschaffen. Kurzum: Der Hunne. Das wirkte. Der an der Universität Bayreuth lehrende Historiker Hermann Hiery schreibt dazu: Das Bild des verschlagenen und diabolischen, primitiven und zugleich abscheulichen Hunnen-Deutschen zieht … durch die ganze angelsächsische Propaganda während des gesamten Krieges, ja darüber hinaus.
Dieses Bild war so wirkmächtig, daß das englische Königshaus im Laufe des Krieges gezwungen war, seinen deutschen Namen von „Hannover“ in „Windsor“ abzuändern. Aus der königlichen Verwandtschaft deren von „Battenberg“ wurde „Mountbatten“.
Es gibt eine reich bebilderte Dokumentation der Universität Bayreuth, Lehrstuhl für Neueste Geschichte, zu diesem Thema:
http://www.neueste.uni-bayreuth.de/02%20Publikationen/02%20Angst/AngstundKrieg-Textauszug.htm
Diese Hasspropaganda wirkte auch nach dem Waffenstillstand von 1918 hinaus: Nämlich in den Bedingungen des Vertrages von Versailles. Und in ernsthaften Überlegungen, die deutschen Männer zwangsweise zu sterilisieren um das Böse auszurotten. Aus der oben genannten Veröffentlichung: These surgeons are preparing to advocate the calling of a world conference to consider the sterilization of the ten million German soldiers and the segregation of the women, that when this generation of German goes, civilized cities, states and races may be rid of this awful cancer that must be cut clean out of the body of society.
Professor Hiery zieht dazu Bilanz:
Zu den fatalen Resultaten der englischen Propaganda gehört auch die Geschichte von der Leichenverwertungsfabrik, die die Deutschen betrieben haben sollen und in denen angeblich menschliche Leichen zu Seife eingekocht wurden. Sie wurde weltweit verbreitet und auf Verlangen der britischen Regierung auch ins Spanische, Portugiesische, Schwedische und Holländische übersetzt.149 Im Oktober 1925 schließlich bekannte Brigadegeneral John Charteris bei einer Rede in New York, daß man, um die Geschichte glaubwürdiger zu machen, auch das Tagebuch eines deutschen Soldaten gefälscht hatte. …
Weit über die amerikanische Provinz hinaus scheint diese Geschichte im Bewußtsein und der Erinnerung der Menschen verankert gewesen zu sein. Die Folge davon war, daß in Deutschland, aber auch darüber hinaus, den Nachrichten von den Greueln an den Juden in den Konzentrationslagern lange Zeit kein Glauben geschenkt wurde. „Die Entstellung der Tatsachen im Ersten Weltkrieg war mit daran schuld, daß der Blick auf die Wirklichkeit des Zweiten Weltkriegs verschleiert wurde.„
Quelle: BOSBACH, Franz (Hg.): – Angst und Politik in der europäischen Geschichte. – Dettelbach: Röll Vlg. 2000
Eine der prägnantesten Ausprägungen von Hasspropaganda fand sich dann später auf deutscher Seite im sogenannten „Russlandfeldzug“ des Jahres 1941. Das Motiv war ähnlich: Auch dabei ging es um Entmenschlichung des Gegners. Denn der deutsche Soldat hatte keinen einsichtigen Grund, weshalb er gen Osten ziehen sollte. Und so entstand Himmlers Hetzschrift: „Der Untermensch.“ Die Nazis hatten die Lektion von 1914-1919 gelernt.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Ulrich
Ergänzung am 28.4.2015:
Lothar Schröder hat auf dieses Schreiben nie geantwortet. Es wurde auch nicht als Leserbrief veröffentlicht. Die Rheinische Post hat die Anregung, auch über die Weltkriegspropaganda der Entente zu berichten, bis heute nicht aufgegriffen. Schade!