Ypern: Kein Weg nach Auschwitz

Geschichte wird gerne von hinten her erzählt. So, als ob sich  die Abfolge der  Geschehnisse zwangsläufig hätten entwickeln müssen. Und so wird gerne ex post ein Ursachen- und Wirkungszusammenhang konstruiert, wo bei näherer Betrachtung keine Kausalität gegeben ist. Diesem Irrtum erliegt auch der Historiker der Rheinischen Post, Dr. Frank Vollmer, in seinem Beitrag vom 8.2. 2014, →„Das Ende einer Welt“.  Setzt er doch den Holocaust von 1942 in direkter Beziehung zu den Giftgasangriffen an den Fronten des ersten Weltkrieges im Jahre 1915.

 Mein nachfolgender Leserbrief sollte dies richtig stellen. Hier der Wortlaut:

>>>> Anfang des Textes <<<<<

  Dr. Frank Vollmer spannt einen weiten Bogen: Im Ersten Weltkrieg behandelt der Mensch den Menschen erstmals wie Ungeziefer … und er bemüht sich, ihn mit Giftgas zu vertilgen wie eine Laus (erstmals … durch die Deutschen). Aus den Schützengräben von Verdun und Ypern  führen Wege  auch nach Auschwitz.“

Annahme und Schlussfolgerung bedürfen einer Korrektur in mehrfacher Hinsicht. Der Einsatz von Giftgas im Grabenkampf des ersten Weltkriegs diente als  Waffe zum Sieg über den Gegner auf dem Schlachtfeld, nicht zu dessen Ausrottung. Durch Kampfgas verletzte Kriegsgefangene wurden üblicherweise  wie die übrigen Verwundeten durch Sanitäter versorgt, und zwar bei allen Kriegsparteien. Darin unterschied sich die Kriegsführung des Ersten Weltkrieges sowohl früheren als auch von späteren Konflikten. Während des  Zweiten Weltkrieges von 1939 bis 1945 wurde kein Giftgas eingesetzt, obwohl sämtliche Armeen große Vorräte dieser Kampfstoffe in ihren Arsenalen hatten. In dieser Hinsicht war das Gleichgewicht des Schreckens schon damals wirksam. Ein Aspekt, dem Historiker erstaunlich wenig Aufmerksamkeit widmen. Hitler selbst wurde noch im Oktober 1918 durch Giftgas verletzt und erblindete für einige Tage.

Die Gaskammer des Staates Kalifornien im San Quentin State Prison,

Die Gaskammer des Staates Kalifornien im San Quentin State Prison,

 

Das sowohl zur Schädlingsbekämpfung (Kammerjäger!) als auch zum Massenmord an KZ-Opfern verwendete →Blausäuregas war wegen seiner Flüchtigkeit für den Einsatz im Grabenkampf ungeeignet. Der einzige Weltkriegseinsatz dieser Chemikalie seitens der französischen Armee am 1. Juli 1916 gegen die Deutschen blieb daher  wirkungslos.  Blausäuregas entfaltet seine tödliche Wirkung sicher  nur in geschlossenen Räumen. Die Vorläufer der Gaskammern in den Konzentrationslagern waren  somit die Hinrichtungsstätten in den USA. Im  US-Bundesstaat Nevada wurde 1924 erstmals ein Mensch von Staats wegen mit Blausäure in einer eigens dafür gebauten  Gaskammer  ums Leben gebracht.  Viele weitere sollten folgen.  

>>>> Ende des Textes <<<<

 Dieser Leserbrief wurde nicht zur Veröffentlichung angenommen.


One Comment on “Ypern: Kein Weg nach Auschwitz”

  1. Hans Albrecdht sagt:

    Mich überrascht es nicht, daß diese sachliche Darstellung nicht zur Veröffentlichung angenommen wurde, insbesondere sachliche Geschichtsdarstellung ist oft nicht gefragt

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