Hexenjagd nach Ursula Sarrazin: Eine Leseanleitung

Wer glaubt, die Zustände an Berliner Schulen seien schlimm, der liegt falsch. Es ist viel schlimmer. Wie grauenhaft es dort zugeht, darüber klärt uns Ursula Sarrazin auf. Mobbing ist eine Verharmlosung, Hexenjagd der korrekte Ausdruck. Das ist weder Satire noch Übertreibung, das ist mein voller Ernst.

HexenjagdHexenjagd, das ist das bekannte Bühnenstück von Arthur Miller. Gehörte in früheren Zeiten mal zum Bildungskanon von Gymnasiasten. Ein Unterschied zum 17. Jahrhundert: Ursula Sarrazin landete nicht auf dem Scheiterhaufen. Sie ließ sich nicht einschüchtern, weder von karrierebewussten Vorgesetzten, noch von missliebigen Kollegen, auch nicht von manipulierten Schülern und instrumentalisierten Eltern.  Sie hat sich zur Wehr gesetzt.   Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Dem Dienstrecht, Zivilrecht und mit dem Strafrecht. Und letztlich auch mit ihrem Buch: Hexenjagd. Dieses Werk wünscht man sich als Pflichtlektüre sowohl für Schüler als auch für Pädagogen. Insbesondere in Berlin. →Leseprobe

Berliner Sumpf, eine zutreffende Vokabel  für eine erpressbare Schulverwaltung, die beschönigt, verharmlost, unter den Teppich kehrt.  Und mobbt. Ein mieses Beispiel gibt für Kinder und Heranwachsende: Leistung lohnt sich nicht, Mobbing ist besser.  Hausaufgaben? Braucht ihr nicht. Nicht am Donnerstag, nicht am Freitag und erst recht nicht am Wochenende. Das sind nur einige Beispiele.

Was Ursula Sarrazin dort schildert ist unglaublich. Aber es ist die Wahrheit. Mit Fakten, Protokollen und amtlichen Akten unterlegt. Und sie nennt Namen. Zumindest diejenigen, die selbst die Öffentlichkeit gesucht haben um für das Kesseltreiben Beifall zu heischen. Niemand der dort genannten hat dementiert oder sie gar auf Unterlassung verklagt. So können wir guten Gewissens davon ausgehen, daß alles, was sie schildert, stimmt.

Ursula Sarrazin nennt in ihrem Werk eine Fülle von Namen und Institutionen.  Bei der Lektüre vermisst man schnell ein Personenregister. Dem sei nachfolgend abgeholfen. Abkürzungen:

Ng.  =Name geändert 

MOS = Montessori-Schule in Reinfeld  http://www.reinfelder-schule.de/

ROS = Reinhold-Otto-Schule in Charlottenburg http://www.reinhold-otto.de

Patricia Appel, Journalistin,  Mutter einer Schülerin am ROS

Glasewald , Sigrun Lehrerin  MOS, selbst Mobbing-Opfer

Gutheil, Jürgen, Schulrat

Hanf (Ng) Lehrerin MOS

Hartmann, Reinhold Schulrat

Frau Hirt (Ng) spätere Konrektorin ROS

Kuhring Günther, Oberschulrat,  unternimmt nichts gegen das Mobbing http://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/org/schulen/schulaufsicht.html

LaubeLaube, Erhard  Schulabteilungsleiter,  inzwischen außer  Dienst.Organisierte als Gewerkschaftsboss einen mehrwöchigen Streik in den Berliner Kindertagesstätten. http://www.welt.de/welt_print/article1816393/Erhard-Laube-wird-Chef-der-Schulaufsicht.html

Liebherr, Frau (Ng) Klarname: Heike W****z Schulleiterin ROS, spätere Beförderung zur  Schulaufsicht.

Peiritsch, Günter, Landeselternvertreter, hetzt in Presse http://www.bz-berlin.de/bezirk/charlottenburg/sarrazin-ist-eine-engagierte-lehrerin-article1085818.html

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/2.1763/berliner-schulkampf-ist-ursula-sarrazin-eine-schlechte-lehrerin-1576061.html

Schlacher, Jürgen (Ng) Lehrer an ROS, für US ab Sept. 2010 bis Nov. als Co-Lehrer zugeteilt

Spätling Anja (Ng)   Schulleitung ROS  Klarname: Gabriele R***sch

Syska, Joachim  Schulleiter  ROS, Hauptakteur beim Mobbing

Unker (Ng) Klassenlehrer MOS

Windisch, Frau (Ng)  Klarname: Sa*****nz , Konrektorin an ROS, später Schulrätin

Zimsinski, Ines,  alleinerziehende Mutter einer Tochter, unzufrieden mit der Benotung, führt  2009 einen Elternprotest an. Elternsprecherin 2008/2009

Schade nur, daß die „unverschämten“ Elternbriefe an Frau Sarrazin nicht auch im Buch veröffentlicht sind. Aber im Gegensatz zu Ihren Gegnern nimmt Ursula Sarrazin Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte. (Anmerkung am 11.11.2015: In dem Text des Buches wird an einer Stelle der vollständige Name einer Schülerin genannt. Der BHG urteilte dazu, daß dies nicht zulässig ist. Die erste Druckauflage darf somit nicht weiter verbreitet werden. Hier das →Urteil)

Was ebenfalls bei der Lektüre bewusst wird: Pädagogik ist seit Jahrzehnten die ideologische Spielwiese für Weltverbesserer nach dem Motto: gleich, gleicher, ganz egal. Und so wird experimentiert: Mit Inklusion, das heißt Zusammenwürfeln unterschiedlichster Begabungen und Behinderungen, mit JÜL, dem jahrgangsübergreifendes Lernen. Bildungsbürgern fällt die Metapher vom Bett des Prokrustes ein. Wie so oft: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht. Leidtragende sind die Kinder. Hier wird es ernst: Wir setzten die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft aufs Spiel. Denn die Jugend von heute, das sind die Erwachsenen von morgen.  Und hier wird es nun bitter Ernst. Handeln ist angesagt.


20 Kommentare on “Hexenjagd nach Ursula Sarrazin: Eine Leseanleitung”

  1. Karin sagt:

    Nur weil die Verfasserin Sarrazin heißt, bedeutet das noch lange nicht, dass sie die Wahrheit schreibt. Vielleicht sollten einige mal das Buch hinterfragen. Und auf welche Persönlichkeitsrechte nimmt Frau Sarrazin denn Rücksicht? Die Dame nutzt hier das Medium Buch um sich in den Mittelpunkt zu rücken.

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    • Liebe Karin,

      Sie haben recht, man sollte grundsätzlich alles, was uns von den Medien serviert wird, kritisch hinterfragen und aus verschiedenen Blickwinkeln prüfen. Das trifft auf die gängigen Medien ebenso zu wie auf Bücher. Und dann mit gesundem Menschenverstand prüfen, was plausibel ist. Die von Frau Sarrazin dargelegten Fakten aus ihrer zehnjährigen Erfahrung an Berliner Schulen halte ich für glaubwürdig, denn bisher hat niemand Ihrer Darstellung des Geschehens widersprochen, sie der Lüge bezichtigt oder sie denn auf Widerruf bzw. Unterlassung verklagt. Die Wertung des ganzen steht wiederum auf einem anderen Blatt. Was Pädagogik vermitteln sollte und was nicht, das ist zumeist abhängig vom jeweiligen weltanschaulichen und ideologischen Standpunkt.

      Wer wie Frau Sarrazin gemobbt wird, der steht in der Regel unfreiwillig im Mittelpunkt. Ursula Sarrazin ist nicht mehr im Schuldienst tätig, warum sollte sie sich noch in den Mittelpunkt rücken wollen? Sie meidet Talkshows und Interviews. Und sie nennt nur die Namen derjenigen, die schon vorher von sich aus an die Öffentlichkeit getreten sind.

      Wenn Sie das Buch gelesen haben, in welchem Kapitel, auf welcher Seite und welchem Zusammenhang verletzt Frau Sarrazin ihrer Meinung nach Persönlichkeitsrechte? Haben Sie Informationen, wo die Unwahrheit gesagt wird? An welcher Stelle würden Sie Ihren Thesen widersprechen?

      Herzliche GRüße

      Bernd Ulrich

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  2. peter sagt:

    nun, sie verletzt persönlichkeitsrechte, wenn sie namen nennt, die kinder betreffen, die nichts mit den geschilderten vorfällen zu tun haben. behauptet fr. sarrazin nicht, „zum wohle“ der kinder zu handeln? gespaltenen zunge!
    was in den schulen vermittelt werden sollte, hat übrigens weniger mit irgendwelchen ideologien o weltanschulichen thesen zu tun, wie sie meinen, sondern steht schwarz auf weiss im gesetzestext u den schulverordnungen. daran hat sich auch eine sarrazin zu halten, oder?
    und auch wenn sich niemand gegenteilig zu sarrazins behauptungen äußert, heißt das nicht automatisch, dass sie recht hat. das weiß selbst jedes grundschulkind. setzen, sechs!

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    • Lieber Peter,
      haben Sie das Buch gelesen? In welchem Kapitel, auf welcher Seite nennt Ursula Sarrazin den vollen Namen einer Schülerin oder eines Schülers?

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      • Daniel Gerholdt sagt:

        Das Buch muss man nicht gelesen haben, wenn selbst ein Gericht entschieden hat, das sie das getan hat, wird das Gericht vor nicht unrecht haben, oder wollen sie bestreiten, dass Frau Sarrazin deshalb vor Gericht stand?
        Aber was will man von einer Frau erwarten, die sich so einen schrecklich unsäglichen Menschen als Ehemann ausgesucht hat? Wie heisst es so schön: Gleich und Gleich gesellt sich gerne….
        Jedenfalls ist es echt beschämend, wenn ich dann hier lesen muss, dass die Sarrazin ja so eine Gute ist und „im Gegensatz zu anderen auf die Persönlichkeitsrechte Rücksicht nimmt“.

        Das ist eine LÜGE, die alleine dadurch widerlegt wurde, das sie eine Klage am Hals hatte und das Gericht bestätigt hat, das sie damit zu weit ging. Und Sie Herr Ulrich, sind somit leider ein Lügner, wenn sie das weiterhin behaupten, wie sie es hier in ihrem Blog tun.

        Dieser Kommentar wird wahrscheinlich leider sowieso gelöscht, fürchte ich, es steht ihnen natürlich auch frei, Anzeige wegen Verleumdung gegen mich zu erstatten, weil ich sie als Lügner bezeichne. Dem sehe ich jedoch absolut gelassen entgegen, denn es lässt sich ja beweisen, das die Aussage, das niemand wegen Unterlassung geklagt hätte, nicht der Wahrheit entspricht. Vielleicht sollten sie diesen Beitrag entfernen oder zumindest korrigieren.

        Werter Herr Gerholdt,

        Warum sollte ich Ihren Beitrag löschen? Soll sich doch jeder so gut blamieren wie er kann. Und Verunglimpfungen nehmen ich nur bei den Leuten persönlich, die mir auch persönlich etwas bedeuten. Dabei wäre mir nichts lieber als die Erkenntnis, einen Irrtum aufgesessen zu sein. Wenn mir jemand glaubwürdig bestätigt hätte, daß die Verhältnisse an den Berliner Schulen nicht so katastrophal sind wie von Ursula Sarrazin geschildert. Wenn die Absolventen des Berliner Bildungssystems besten gerüstet wären für das spätere Berufsleben und ihre Rolle als Staatsbürger. – Wie auch alle anderen Kommentatoren in diesem Blog-Beitrag beißen Sie sich statt dessen an der Person der Autorin fest. Und zwar lediglich an dem Detail, daß tatsächlich an einer unauffälligen Stelle des Buches der volle Name eines Kindes genannt wird. Aber ich erwarte zu viel, denn Ihrer Formulierung entnehme ich, daß Sie das Buch „Hexenjagd“ gar nicht gelesen haben. Dabei ist mein Blog-Beitrag gerade als „Leseanleitung“ tituliert. Damit sind Sie, Herr Gerholdt, eigentlich der falsche Adressat für meine Ausführungen. Denn Sie können über den Inhalt nicht selbst urteilen, sondern bestenfalls vorgekaute Meinungen übernehmen. Schade drum. Früher galt „Belesenheit“ mal als eine Tugend. Und wie ich der abqualifizierenden Wertung über den Mann der Autorin entnehme, haben Sie auch die Bücher des Dr. Thilo Sarrazin nicht gelesen. Wenn Sie in meinem Blog etwas herumstöbern, werden Sie meine Rezensionen der Werke des ehemaligen Finanzsenators finden. Das wäre die geeignete Stelle für eine weitere Diskussion. Aber dann bitte fachlich sachlich mit Verweis auf Kapitel und Seiten des Buches, damit das Ganze dann auch Hand und Fuß hat. Pauschale Wertungen vom Hörensagen, die sie vielleicht aufgeschnappt haben, bringen uns da nicht weiter.
        Was die zitierte Verletzung von Persönlichkeitsrechten angeht: Ich bin ein aufmerksamer Leser der überregionalen Presse, habe aber nichts dergleichen zu Gesicht bekommen. Möglicherweise ist mir da etwas entgangen und Sie haben bessere Informationen als ich. Wenn ein deutsches Gericht in einem Prozess festgestellt hat, daß Frau Sarrazin Persönlichkeitsrechte verletzt hat, dann bitte ich Sie um Zusendung des Urteils, der Urteilsbegründung und des Aktenzeichens. Der Verweis auf eine glaubwürdige Fundstelle würde mir genügen. Falls der Platz hier im Kommentar nicht ausreichen sollte, können Sie mir das auch gerne auch per E-Mail zusenden. Meine Adresse ist im Impressum dieses Blogs angegeben. Ich werde dann den Hauptartikel entsprechend korrigieren.

        Viele Grüße

        Bernd Ulrich

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  3. Liebe Helga,

    ich habe die Kapitel noch einmal studiert und muß mich korrigieren: Da findet man tatsächlich an einer Stelle, in der aus einen Schreiben an das Lehrerkollegium zitiert wird, den vollen Namen besagter Schülerin. Zuvor wurde über viele Seiten immer neutral von „dem Kind“, „der Kleinen“ oder „dem Mädchen“ gesprochen.

    Entstand damit dem Kind ein Schaden? Die Zeitspanne der Geschehnisse liegt in den Jahren 2007 und 2008. Das Buch „Hexenjagd“ wurde 2012 veröffentlich; da hatte die Tochter von Frau Appel längst die Schule gewechselt. Ob das neue Umfeld durch die Buchveröffentlichung aufmerksam wurde oder die Geschichte schon vorher die Runde gemacht hatte ist, das ist dem Außenstehenden unbekannt. Fraglich auch, ob Lehrerkollegium oder Mitschüler sich überhaupt dafür interessierten. Indessen könnte die Zuschreibung einer Hochbegabung durchaus für Aufmerksamkeit in der Umgebung gesorgt haben. Inzwischen ist das Mädchen 13 oder 14 Jahre alt. Erfahrungsgemäß empfinden Teenager in dem Alter ihre Eltern häufig als peinlich und genieren sich für das, was sie als Einmischung in ihre Angelegenheiten oder ihre persönliche Entwicklung wahrnehmen. Von daher ist ein wiederholtes Aufwärmen der Geschichten aus der Grundschulkarriere kritisch zu sehen.

    Dabei war die Episode der Frau Appel und ihrer Tochter lediglich eine Rahmenhandlung in dem Buch von Ursula Sarrazin. Denn Objekt der Kritik ist ja weniger das Verhalten der Mutter und am wenigsten das des Kindes, das selbst nur ein bedauerliches Opfer in diesem Konflikt war. Eigentlicher Gegenstand der Betrachtung in der „Hexenjagd“ ist das Versagen von Schule und Schulaufsicht in diesem exemplarischen Fall.

    Wurden Persönlichkeitsrechte des Kindes durch die Namensnennung verletzt? Das können am besten die Juristen und die Gerichte beantworten. Damit sich der unbefangene Beobachter sein eigenes Bild machen kann wäre es zu begrüßen, wenn Frau Grüger (vormals Appel) die jeweiligen Schriftsätze, Urteile und Urteilsbegründungen ihrem Publikum zugänglich machen würde. Ihr Blog ist dafür eine geeignete Plattform.

    Interessant ist jedenfalls, daß die „Hexenjagd“ doch juristische Nachspiele hatte. Das war bis zu diesem Zeitpunkt der breiten Öffentlichkeit unbekannt. Möglicherweise gibt es ja noch eine publizistische Fortsetzung.

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  4. Helga sagt:

    Schade! Ich fand es immer gut, dass Sie recht sachlich und auch freundlich Ihre Kommentare formulierten.

    Leider haben Sie weder das Buch „Hexenjagd“ durchweg gelesen, ( was ich sogar verstehen kann) noch die Artikel der Mutter! Viele Ihrer Fragen oder auch Anmerkungen hätten sich dann erübrigt!

    Nur ein kleiner Hinweis! Der Name erscheint keineswegs nur einmal!

    Ihre Frage: Entstand dem Kind damit ein Schaden?“ Meine Frage an Sie: Haben Sie Kinder?

    Können Sie sich annähernd vorstellen, was es für ein Kind bedeutet, nach 5 Jahren in einem Buch solche herabwürdigen Aussagen über sich zu lesen wie z.B. Möchtegernüberspringerin und andere unwahre Tatsachenbehauptungen?

    Haben Sie die Artikel der Mutter gelesen, in dem sie u.a. schreibt, dass das Buch in der euen Schule angeprochen wurde, das Kind und die Familie Anfeindungen ausgesetzt waren, das Kind seelisch erkrankte und ärzliche Hilfe benötigte und dass das Kind die Schule schließlich wechseln musste?

    Vielleicht lesen Sie das Buch von Frau Sarrazin von vorne bis hinten durch und vielleicht fallen Ihnen dann Widersprüche auf, die anscheinend keinem auffallen oder auffallen wollen.

    Ich habe übrigens selber viele Jahre an einer Grundschule gearbeitet. Es erstaunt mich sehr, dass Frau Sarrazin schulinterne Abläufe öffentlich machen darf und wohl über Dokumente verfügt, die in keinen Privathaushalt gehören. Warum hat das keiner hinterfragt?

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    • Liebe Helga,

      wir sind hier in einer Diskussion, die abweicht von der Intention meiner Buchbesprechung, aber ich nehme den Faden gerne auf.

      Zunächst aber: Das Buch „Hexenjagd“ beschäftigt sich mit der Situation im Berliner Schulwesen an exemplarischen Fällen. Wie oben erwähnt, ist die Geschichte der Frau Appel und ihrer Tochter in diesem Kontext nur eine Rahmenhandlung. Daß die geschilderten Berliner Verhältnisse insgesamt glaubwürdig von denen der übrigen Republik nicht weit entfernt sind, das bestätigen mir die Gespräche mit noch tätigen Pädagogen in meinem persönlichen Umfeld. Nur das eine Beispiel „Inklusion“: Hier gibt es in NRW einen inoffiziellen Maulkorberlass, der es den Lehrern untersagt ihre persönliche Meinung zu dem Thema gegenüber Medien freimütig zu äußern. Wer im privaten Gespräch das Thema darauf lenkt, der blickt in verdrehte Augen und hört die tollsten Geschichten.

      Man kann natürlich die Glaubwürdigkeit des ganzen Buches in Zweifel ziehen, wenn man der Autorin Unwahrheit und Lügen unterstellt. Ich will hier nicht über die Person von Frau Sarrazin urteilen, das steht mir nicht zu. Man sollte indessen immer sauber trennen zwischen der Person und ihrem Werk. Ein häufiger Reflex besteht ja gerade darin, die Person zu verunglimpfen um das Werk zu diskreditieren. Halten wir uns lieber an die objektiven Fakten.

      Nur eine persönliche Bemerkung dazu: Es ist sicher ein unglücklicher Umstand, daß der volle Name des Kindes an einer Stelle (weitere habe ich nicht gefunden, vielleicht können Sie mir die in einem privaten e-Mail mitteilen) erscheint. Ich würde indessen hier keine pauschal böse Absicht unterstellen. Es könnte ebenso eine Nachlässigkeit des Lektorates sein. – Wenn, wie durch die Mutter beschrieben, dann an der weiterführenden Schule die Tochter der Frau Appel durch Lehrer während des Unterrichts mit dieser Geschichte konfrontiert wurde, dann ist das ohne Zweifel übergriffig und eine weitere eklatante Fehlleistung.

      Wenn wir vom Wohl des Kindes sprechen: Da muß sich die Mutter die Frage gefallen lassen, ob es sinnvoll gewesen ist, auf Biegen und Brechen das Klassenüberspringen ihrer kleinen Tochter durchsetzen zu wollen. Denn ein solches Ansinnen birgt auch immer die Gefahr des Scheiterns mit sich; mit allen Konsequenzen. Auch für die kindliche Seele, die sich dann schuldig fühlt, der Erwartungshaltung von Mutter und Angehörigen nicht gerecht geworden zu sein. (Nebenbemerkung: Es ist nie vom Vater die Rede. Spielte der keine Rolle in der Erziehung?). Kommentator Gast schreibt dazu: Das Kind wollte doch nur lernen. Ich bezweifele, daß man einem siebenjährigen Mädchen schon eigene Urteilskraft in einer so elementaren Entscheidung zubilligen kann. Zudem lauert die Gefahr, daß ein Klassenüberspringer von Schulkameraden als Streber wahrgenommen wird. Und als solcher hat man es in der Gemeinschaft immer schwerer. – Wenn ein Kind wissbegierig ist und lernen will: Da gibt es sicher unkompliziertere Möglichkeiten, dieses Bedürfnis zu stillen.

      Passend zum Thema hat die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung gestern, am 23.3.2014, eine Titelgeschichte veröffentlich: „Eltern auf dem Genie-Trip“. Der Untertitel: „Angebliche Hochbegabung: Kinder leiden unter Leistungsdruck“. Aus der Einleitung: „Psychologen und Lehrer warnen davor, Kinder leichtfertig zu Hochbegabten zu erklären. Der dadurch aufgebaute Druck führt immer häufiger dazu, dass Kinder psychische Störungen und Krankheiten wie Depressionen entwickeln. Von „langen Leidensgeschichten“ spricht Detlef Rost, Marburger Hochbegabtenforscher und Leiter einer der weltweit größten Langzeitstudien über Hochbegabte. Wenn Eltern ihren Kindern einredeten, intellektuelle Überflieger zu sein, könne das „schwere emotionale und soziale Probleme“ bis hin zur Therapiebedürftigkeit auslösen, sagte er der F.A.S.“ – Soweit die Einleitung.

      Auf Seite 2 der FAS erfolgt eine ganzseitige Fortsetzung:
      http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/coaching-fuer-eltern-unser-sohn-wird-mal-hochbegabt-12858950.html

      Bei dieser Lektüre stellt sich unwillkürlich die Frage, welchen Anteil die Mutter an den psychischen Problemen ihrer Tochter zu verantworten hat. Der Fingerzeig auf Ursula Sarrazin erscheint mir da zu einfach. Etiam altera pars audiatur. Zu Deutsch: Man sollte nicht nur eine Seite hören.

      Sie fragen mich nach meinen eigenen persönlichen Erfahrungen. Ja, ich habe eine bereits erwachsene Tochter. Ihre schulische Laufbahn verlief problemlos ohne böse Erfahrungen. Ich habe allerdings auch eine Nichte. Hoch begabt, aber nicht hochbegabt. Sie war Klassenbeste und zugleich Opfer von Schikanen durch Mitschüler und Lehrer! Im links geprägten Norden des Ruhrgebietes mag man es nicht, wenn jemand besser ist als die anderen. Sie hat trotzdem auch ohne die Schule zu wechseln ihren Weg gemacht: Abitur, Lehre, Studium und Promotion. Inzwischen arbeitet Sie erfolgreich bei einer internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und ist Mutter eines schulpflichtigen Kindes.

      Was Mobbing angeht, so kann ich auch selber aus dem Nähkästchen plaudern, obgleich diese Vokabel zu meiner Schulzeit noch nicht geläufig war.

      Als Siebenjähriger wurde mir von meiner Lehrerin ein gehässiger Spitzname verpasst, der mir bis zum Ende meiner Volksschulzeit nachhängen sollte. Mein Schuldirektor stellte mich wegen meines Dialektes und einer langsamen Sprechweise als „Esel“ vor der gesamten Klasse bloß. Der gleiche Rektor, der seinen Siegelring nach innen drehte, wenn er einem Schüler eine Ohrfeige verpasste. Damit es noch etwas heftiger weh tat. Jawohl, wir wurden geohrfeigt. Seit meiner Einschulung im Jahre 1956 bis zum vierzehnten Lebensjahr war das gängige Praxis sowohl in der Volksschule wie auch auf dem Gymnasium. Die Anlässe für diese Körperstrafe waren verschieden: Zuspätkommen, schlechte Hausarbeiten, Unaufmerksamkeit, fehlende Vokabelkenntnisse, mangelnder Respekt usw. Schmerzlich war nicht so sehr die brennende Wange, sondern die Scham darüber, auf diese Weise vor der gesamten Klasse gedemütigt zu werden. Dabei waren Backpfeifen nicht die einzige Art der Züchtigung, üblich war auch das Ziehen an Haaren und Ohren. Sogar Faustschläge und Tritte seitens des „Lehrkörpers“ habe ich erlebt. Bei unseren Eltern brauchten wir uns erst gar nicht zu beschweren, da hätte es nur weitere Ohrfeigen gehagelt. Es gab noch eine harmlosere Art der Maßregelung: Das In-die-Ecke-stellen. Mit dem Gesicht zur Wand. Keinen Ton sagen, ruhig stehen. Das konnte ein paar Minuten dauern oder auch den ganzen Rest der Schulstunde. Diese Prozedur wurde mir bereits am zweiten Schultag zuteil. Psychologische Betreuung? Fehlanzeige! Der Beruf des Psychologen oder Seelenklempners, wie wir damals zu sagen pflegten, war uns nur aus amerikanischen Filmen geläufig. Mir ist kein einziger Fall eines Klassenkameraden bekannt, der psychologisch betreut worden wäre.

      Ich habe oftmals nur widerwillig und mit Magenschmerzen meinen morgendlichen Schulweg angetreten. Aber krank feiern oder gar Schulschwänzen? Das kam nicht in Frage. Noch eins: Auf dem Gymnasium hatte ich mehrere Jahre lang einen Englischlehrer, der mich regelmäßig mit dem Beruf meines Vaters hänselte. Die Klassenbücher waren ja für jedermann offen, da war der Beruf der Eltern eingetragen.

      Gemessen an heutigen Maßstäben würde jeder erwarten, daß wir damals alle als psychische Wracks, lebensunfähig, am Ende der Schulzeit aus der Lehranstalt (damals ein gängiger Begriff) entlassen worden wären.

      Stattdessen wurden wir Rechtsanwälte, Ingenieure, Ärzte, Pfarrer, Offiziere, Wissenschaftler und viele von uns wiederum … Lehrer. Die Aufzählung ist natürlich nicht vollständig. Jeder ging seinen Weg, zumeist erfolgreich und späterhin oftmals als biederer Familienvater. – Ich selbst hatte dank der Kurzschuljahre bereits mit gerade mal achtzehn Jahren das Abitur in der Tasche. Es folgten Bundeswehrzeit und damit weitere Schikanen und anschließend ein naturwissenschaftliches Studium.
      Das Leben ist kein Ponyhof: Diese Regel haben ich und meine Schulkameraden schon früh verinnerlichen müssen. Aber es half uns im späteren Leben. Denn auch dort begegnet man missgünstigen Vorgesetzten, intriganten Kollegen und unwilligen Mitarbeitern.

      Warum ich das ganze erzähle? Es gibt nach meiner Erfahrung keinen objektiven Maßstab für subjektives Empfinden wie Mobbing und Schikanen. Was der eine problemlos abschüttelt, daran kann eine andere empfindliche Seele schmerzvoll leiden. Und ein Mitleid, das diesen Schmerz noch bestätigt, wirkt oftmals kontraproduktiv im Sinne einer Genesung. Entscheidend ist die jeweilige Konstellation

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  5. Sehr geehrter Herr Ulrich, ich hoffe, Sie erlauben mir, mich an dieser Stelle öffentlich in die Diskussion einzuschalten. Ich bin die Mutter, über die hier geredet wird. Ich habe mir Ihren Artikel durchgelesen und auch die Kommentare dazu. Mir ist bewusst, dass Sie wenig Zeit haben. Dennoch denke ich, dass die Wichtigkeit dieser Angelegenheit es nötig macht, wirklich beide Seiten vollständig zu hören. Wenn ich Sie richtig verstehe, haben Sie die bisher erschienenen Artikel meiner Richtigstellung gelesen. Was ich nicht verstehe: Wieso Sie dennoch solche Fragen stellen wie die, „ob es sinnvoll gewesen ist, auf Biegen und Brechen das Klassenüberspringen ihrer kleinen Tochter durchsetzen zu wollen.“

    Meine Antwort dazu finden Sie eigentlich im 2. und 3. Artikel meiner Richtigstellung. Denn dort steht, dass es mein ausdrücklicher Wunsch war, dass mein Kind keine Klasse überspringt! Ich persönlich hatte eher auf andere Fördermöglichkeiten gehofft. Es gab aber zu diesem Zeitpunkt (mitten im Schuljahr) keine Plätze in der 2. Klasse. Die Klassen waren voll. Wir haben deshalb sogar andere Schulen im Umkreis aufgesucht – mit demselben negativen Ergebnis. Das Überspringen war also ein Schritt, der aus der Not geboren wurde und der zuvor sowohl mit der Psychologin als auch mit der Schulleitung ausführlich diskutiert wurde. Es war weder eine leichtfertige Entscheidung noch der dringende Wunsch von mir als Mutter. Im Gegenteil: Die Psychologin sprach sich sehr entschieden für ein Überspringen aus und das bereits im Auswertungsgespräch. Ich wusste also bereits von dieser Empfehlung, als ich mein Kind in der neuen Schule anmeldete und wollte trotzdem kein Überspringen.

    Sie bezweifeln ferner, dass man einem siebenjährigem Kind eine solche Entscheidung überlassen sollte. Auch das wurde nicht getan. Fakt ist: Mein Kind musste weiterführenden Lernstoff bekommen, um sich gesund und glücklich zu entwickeln. Dieses Ziel hätte auf unterschiedliche Art erreicht werden können. Leider wurde mein Wunsch, die Förderung in der 2. Klassenstufe anzubieten, nicht erfüllt.

    Ihr Vermerk auf „Der Untertitel: „Angebliche Hochbegabung: Kinder leiden unter Leistungsdruck“. Aus der Einleitung: “Psychologen und Lehrer warnen davor, Kinder leichtfertig zu Hochbegabten zu erklären.“ zeigt mir ebenfalls, dass Sie meine Artikel nicht vollständig gelesen haben. Sonst hätten Sie erfahren, dass der Test auf Hochbegabung von der ehemaligen Lehrerin meines Kindes angestoßen wurde, nicht von mir! Ein nicht unwesentlicher Aspekt, wie ich finde. Und die hoch anerkannte Psychologin, die seit Jahren auf dem Gebiet führend ist, hat das Überspringen empfohlen. Es stimmt einfach nicht, dass dies auf Wunsch der Mutter geschah. Genau wegen solchen Verdächtigungen habe ich im ersten Teil der Richtigstellung den anscheinend notwendigen Beweis der Hochbegabung veröffentlicht – ein Schreiben von Mensa in Deutschland e.V., das bestätigt, dass mein Kind hochbegabt ist. Dafür können weder wir Erwachsenen noch das Kind, aber es ist nun einmal so.

    Wissen Sie, ich habe es satt, mich dafür zu rechtfertigen, dass ich die von Fachleuten empfohlenen Ratschläge, Fördermaßnahmen etc. durchzusetzen versuche bzw. umsetze. Ich weiß nämlich, was mit unterforderten Hochbegabten passieren kann und glauben Sie mir, dass möchte keine Mutter und kein Vater für ihr Kind.

    Ich hoffe, ich konnte etwas zur Aufklärung beitragen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Patricia Grüger

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    • Sehr geehrte Frau Grüger,

      sehen Sie mir die verspätete Antwort nach. Ich war einige Zeit verreist. Ich hatte insgeheim schon damit gerechnet, daß Sie sich persönlich melden werden, nachdem die Pseudonyme Gast, Karin, Gisela etc. ausführlich kommentiert haben.

      Wie oben erläutert, will ich aber gar nicht in die Diskussion des speziellen Falles ihrer Tochter einsteigen. Denn die Intention meines Beitrages war ja ein anderer. Zudem ist es schwierig, aus der Ferne dazu Stellung zu nehmen. Wenn Ihre Tochter psychisch erkrankte, dann ist das zu bedauern. An obigen Beispielen habe ich versucht zu verdeutlichen, daß eine solche Entwicklung sich nicht zwanghaft aus psychischen Belastungen ergeben muß. Ich hätte noch drastischere Beispiele aus dem Erlebnishorizont unserer Eltern und Großeltern beibringen können: Kriegserfahrungen, Bombennächte, unmittelbare Todeserlebnisse, Gefangenschaft, Vergewaltigungen, Verwundungen. Schicksale, die unsere Altvorderen meistern mussten und die uns nachfolgenden Generationen gottseidank erspart blieben. Aber die individuelle Konstitutionen sind unterschiedlich. Eine psychischen Erkrankung ist zumeist eine Folge von exogenen und endogenen Faktoren. Es ist schwierig, hier eine definitive Kausalität feststellen zu wollen.

      Zum Thema Mobbing: Dazu gehören immer zwei: Täter und Opfer. Mobbing funktioniert nur dann, wenn das Opfer seine Opferrolle auch annimmt. Wenn eine gefestigte Persönlichkeit die Hänseleien, Sticheleien und Gemeinheiten schlichtweg ignoriert, dann läuft der Mobbingversuch ins Leere und die Täter verlieren schnell die Lust an diesem Spiel. So ist zumindest meine persönliche Erfahrung.

      Wenn Ihre Tochter hochbegabt ist, dann kann ich Ihnen dazu nur gratulieren. Fördern, fordern und motivieren Sie. Denn auch Hochbegabungen sind keine Selbstläufer. Die Erfolgserlebnisse können durchaus auch außerhalb des schulischen Bereiches sein. Häufig ist Hochbegabung gepaart mit einem besonderen musikalischen Talent. Ein hochmusikalischer Mensch ist in der Regel auch hochbegabt. Der Umkehrschluss trifft indessen nicht immer zu. Die Beherrschung eines oder mehrere Instrumente, das Musizieren in der Gemeinschaft sind dem eigenen Selbstbewusstsein nur förderlich und ein guter Ausgleich für Zumutungen des Alltages. Bedingt durch mein Mathematikstudium und der späteren beruflichen Tätigkeit in einem Unternehmen der Informationstechnologie konnte ich viele hoch begabte und hochbegabte aus nächster Nähe kennenlernen. Nicht von ungefähr hatte sich aus dem Kreis der Kolleginnen und Kollegen schon vor vielen Jahren ein eigenes Symphonieorchester konstituiert. Aber es gibt natürlich auch andere Betätigungsfelder, die prädestiniert sind für Hochbegabungen: Schachsport, philosophische Traktate, Zen-Meditation um nur einige zu nennen. Probieren Sie einfach.

      Noch eine persönliche Bemerkung aus eigener Erfahrung: Ich halte die gebräuchlichen Intelligenztests nur für bedingt aussagefähig für die Attestierung einer Hochbegabung. Denn in der Regel liegt der Schwerpunkt auf mathematischer Logik, Kombinatorik und räumlichen Vorstellungsvermögen. Eine intuitive Sprachbegabung bzw. Defizite werden üblicherweise nicht erkannt. Ich habe bei solchen Test immer hervorragend abgeschnitten. Kein Wunder bei einem abgeschlossenen Mathematikstudium. Und dennoch war ich während meiner Schulzeit meistens nur Mittelmaß.

      Für die Zukunft wünsche ich Ihnen und Ihrer Tochter Alles Gute. Ob Sie mit Ihrer neuen medialen Offensive auf dem richtigen Weg sind? Diese Frage müssen Sie sich selber stellen und beantworten.

      Mit freundlichen Grüßen

      Bernd Ulrich

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  6. Liana.A sagt:

    Oh die arme Sarrazin.
    Ist das denn euer erns?
    Lieber Bernd Ulrich
    Ihr zeiht jetzt Patricia Appel jetzt in den Dreck von wegen schlechte Mutter und sie würde ihr Kind zu Hochleistungen treiben? Was haben sie für ein recht darüber zu urteilen?
    Was für ein recht hat die Sarrazin die Kinder oder die Namens von den Kindern in den Dreck zu ziehen?

    Alle die für das Buch stimmen die haben kein herz und sollten nie Kinder bekommen.

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  7. Lieber Joachim, Liebe(r) Ju,

    Danke für die Hinweise zum Urteil mit Link auf die vollständige Urteilsbegründung sowie den Pressehinweis. Eine Korrektur: Der Vertrieb des Buches wurde nicht vollständig gestoppt. Als e-Book bzw. in der Kindle-edition ist der Text weiterhin erhältlich. Allerdings wurde dort schon vor geraumer Zeit der Vornamen des besagten Kindes anonymisiert. Und darum ging es ja in dem Urteil: Der Name des Kindes darf nicht genannt werden.

    Der Stopp der Auslieferung bereits gedruckter Exemplare ohne Schwärzung des Textes ist nach dem Urteil des BGH folgerichtig. Es ist durchaus interessant, den vollen Text der Urteilsbegründung zu studieren, auch wenn es etwas mühsames Juristendeutsch ist .

    Warum der Vorname der minderjährigen Tochter von Frau Grüger (ehemals Appel) überhaupt in dem Werk „Hexenjagd“ genannt wurde, ist für mich nicht nachvollziehbar. Denn andere Personen wurden ja anonymisiert. Mir selbst ist dieser Fakt erst nach wiederholter Lektüre und entsprechendem Hinweis aufgefallen. Die Textstelle ist eher unscheinbar. Ich will nicht ausschließen, daß auch dem Lektor des Verlages diese Passage durchgegangen ist.

    Interessanter ist indessen, was vom Gericht nicht beanstandet wurde und auch nicht Gegenstand dieser juristischen Auseinandersetzung war: Nämlich die Situationsbeschreibung im Berliner Schulsystem und die Schilderung der Geschehnisse durch die Autorin. Im Umkehrschluss bedeutet das: Der Inhalt als solcher ist „gerichtsfest“. In dem mehrere hundert Seiten umfassenden Text wurden somit gerade mal vier Silben vom BGH beanstandet: Nämlich nur die Namensnennung eines einzelnen Kindes.

    Hat dieses Urteil praktische Auswirkungen? Vermutlich nicht. Die, die dieses Buch lesen wollten, haben es bereits studiert. Diejenigen, die mit der Botschaft ihre Probleme haben, werden es auch künftig nicht in die Hand nehmen. Eine Neuauflage als Taschenbuch ist eher unwahrscheinlich. In der Praxis hat dieses Buch ohnehin nichts bewirkt. Der Niedergang unserer Bildungssysteme hat sich eher noch beschleunigt und dieser Trend ist nicht nur auf Berlin beschränkt. Nur ein Beispiel von vielen: Im privaten Gespräch erfuhr ich kürzlich, daß hier im rot-grün regierten NRW inzwischen sogar Druck auf Hochschullehrer ausgeübt wird: Sie sollen ihre Prüflinge besser benoten als es dem objektiven Leistungsstand entspricht. Nicht etwa in irgendeiner Geisteswissenschaft, sondern in ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen!

    Ich bedaure, daß sämtliche Kommentatoren in diesem Blog sich ausschließlich auf die Namensnennung konzentriert haben. Ich hätte mir gewünscht, daß mich jemand mit plausiblen Fakten widerlegt hätte: Nämlich, daß sich die Lage an den Berliner Schulen nicht so darstellt, wie in der „Hexenjagd“ beschrieben. Schade!

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    • Patricia G. sagt:

      Hallo, dazu würde ich gern etwas sagen. Es ging im Verfahren lediglich aus Kostengründen „nur“ um die Namensnennung. Schon dies war ein sehr teures „Vergnügen“, aber hier lag nun einmal unsere Priorität. Wir wären sehr gern auch gegen die von Frau Sarrazin im Buch verbreiteten Unwahrheiten vorgegangen, aber es ging eben finanziell nicht. Nun haben wir hier auch den besonderen Fall, dass es bei uns um ein Kind ging, dass mehr lernen wollte! Weder Eltern noch Kind interessieren groß Noten, es ging ausschließlich um mehr geistigen Input. Und den verweigerte Frau Sarrazin trotz Gutachten usw. Wie also soll man ein Buch von einer Lehrerin ernst nehmen, die sich über mangelnden Leistungswillen beklagt, aber bei Schülern diesen eben vorhandenen Leistungswillen behindert? Es ging hier nie um Noten oder Ähnliches. Ich bin mir sicher, dass es Eltern gibt, die Lehrer unheimlich mit Forderungen nach besseren Noten überziehen und dabei vielleicht auch mal das Maß verlieren. Ich kann mir auch prinzipiell vorstellen, dass heute weniger Leistung von den Kindern verlangt wird als früher. Eine Lehrerin kann sich über so etwas auch kritisch äußern, nur sollte sie dann tunlichst nicht zuvor ein Kind gezwungen haben, weniger zu lernen und seinen Leistungswillen gefälligst zu vergessen. Sie sollte zusätzlich die ihr anvertrauten Kinder nicht öffentlich beim Namen nennen, sie diffamieren und Unwahrheiten über sie verbreiten. All das macht das gesamte Buch unglaubwürdig. Und daran trägt allein Frau Sarrazin die Schuld. Die meisten wissen, dass sich in Schulen heutzutage grundlegend etwas ändern muss. Zu diesen dringend notwendigen Änderungen gehört aber auch, dass Lehrer wie Frau Sarrazin nie wieder auf so junge Kinder losgelassen werden. Fakt ist: Die Namensnennung eines minderjährigen Kindes verbunden mit wirklich üblen Schmähungen – ob wahr oder unwahr lassen wir mal beiseite – hat vermutlich die meisten Kommentatoren so fassungslos gemacht, dass der Rest des Buches vielleicht nicht mehr so wichtig schien. So kann ich es mir zumindest vorstellen.

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      • Sehr geehrte Frau Grümer,

        danke für Ihre umfangreiche Kommentierung. Inhaltlich will ich die Diskussion nicht neu aufnehmen, da in den älteren Beiträgen die wesentlichen Aspekte bereits behandelt wurden. Die Wahrheit liegt in Auge des Betrachters. Auch ich bin der Ansicht, daß jedes Kind entsprechend seinen Fähigkeiten und Neigungen im Schulunterricht bestmöglich individuell gefördert werden sollte. Leider geschieht flächendeckend in diesem Land genau das Gegenteil. Nach den Vorgaben der ideologisierten Kultusbürokratien werden heutzutage Kinder mit verschiedensten Begabungen und unterschiedlichen Altersstufen zusammen mit geistig Behinderten und sprachunkundigen Immigranten in derselben Klasse einer Einheitsschule zusammengepfercht.

        Ihnen und Ihrer Tochter wünsche ich besinnliche Feiertage und Alles Gute für die weitere Zukunft.

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